Stickoxide
Akronym: NO_x
Definition: Verbindungen von Stickstoff mit Sauerstoff, die häufig als Luftschadstoffe auftreten
Allgemeiner Begriff: Luftschadstoffe
Spezifischere Begriffe: Stickstoffdioxid, Stickstoffmonoxid, Distickstoffmonoxid, Distickstofftrioxid, Distickstofftetroxid, Distickstoffpentoxid, Lachgas
Chemische Formel: NxOy, z. B. NO, NO2, N2O, N2O5
Englisch: nitrogen oxides
Kategorien: Fahrzeuge, Ökologie und Umwelttechnik
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 09.09.2012; letzte Änderung: 20.08.2023
Stickoxide sind Gase, die durch chemische Reaktionen von Stickstoff mit Sauerstoff entstehen und als Luftschadstoffe gelten, die z. B. im Zusammenhang mit Smog eine wichtige Rolle spielen. Es gibt verschiedene Verbindungen dieser Art:
- Stickstoffmonoxid (NO) entsteht z. B. in Verbrennungsmotoren, vor allem bei hohen Verbrennungstemperaturen.
- NO reagiert in der Luft rasch weiter mit Sauerstoff, wobei Stickstoffdioxid (NO2) entsteht. Dieses ist in hoher Konzentration durch seine rotbraune Farbe erkennbar.
- Bekannt ist ebenfalls Distickstoffmonoxid, vor allem unter dem Trivialnamen Lachgas.
- Weitere Stickoxide sind Distickstofftrioxid (N2O3), Distickstofftetroxid (N2O4)und Distickstoffpentoxid (N2O5).
Stickoxide werden oft pauschal mit dem Kürzel NOx benannt. Das "x" ist hierbei ein Platzhalter für 1 oder 2. Streng genommen müsste das Kürzel NxOy sein, da viele Stickoxidmoleküle mehr als ein Stickstoffatom enthalten, aber diese Notation ist nicht üblich.
Lachgas entsteht in wesentlichen Mengen auch in der intensiven Landwirtschaft, und zwar durch starken Einsatz von Stickstoffdüngern. Bodenbakterien erzeugen das Gas aus Stickstoffdüngern, und auch die Tierhaltung verursacht solche Emissionen.
Entstehung von Stickoxiden bei hohen Temperaturen
Alle Stickoxide sind energiereicher als die entsprechenden Mengen von Stickstoff (N2) und Sauerstoff (O2). Ihre Bildung aus Luft ist also endotherm (benötigt Energiezufuhr) und erfolgt in der Regel nur bei hohen Temperaturen. Wenn danach die Temperatur langsam gesenkt wird, zerfällt ein großer Teil der gebildeten Stickoxide wieder unter Wärmefreisetzung in Stickstoff und Sauerstoff. Beispielsweise in Verbrennungsmotoren erfolgt jedoch die Abkühlung des Abgases so schnell (viel schneller als z. B. in einem Heizkessel), dass ein wesentlicher Teil der Stickoxide im Abgas verbleiben kann.
In Verbrennungsmotoren (Ottomotoren und Dieselmotoren) entstehen Stickoxide größtenteils durch das Aufbrechen von Stickstoffmolekülen (N2) aufgrund der hohen Temperatur (thermisches NOx). Ein kleinerer Teil (ca. 5 bis 10 %) entsteht als sogenanntes promptes NOx durch chemische Reaktionen zwischen Radikalen aus dem Brennstoff und dem Stickstoff der Luft.
Bei anderen Brennstoffen wie Kohle, Holz und Schweröl kann auch ein wesentlicher Teil der Stickoxide aus Stickstoff-Bestandteilen des Brennstoffs entstehen (Brennstoff-NOx).
Details der Bildung von Stickoxiden können für die Effektivität von Entstickungs-Maßnahmen wichtig sein. Beispielsweise kann thermisches NOx durch eine Absenkung der Verbrennungstemperatur reduziert werden, während Details der Luftzufuhr die Bildung von Brennstoff-NOx beeinflussen können.
Bildung von Stickoxiden in Maschinen; NOx-Minderungsmaßnahmen
Aus dem oben gesagten wird klar, dass ein Verbrennungsmotor besonders viel Stickoxide produziert, wenn er mit hoher Leistung und hoher Drehzahl betrieben wird. Allerdings spielt auch das Verbrennungsluftverhältnis eine wichtige Rolle: Stickoxide entstehen eher bei Verbrennung mit Luftüberschuss – außer der Luftüberschuss ist so groß, dass die Verbrennungstemperatur deutlich herabgesetzt wird. Ein Stück weit kann ein Abgaskatalysator (vor allem ein Dreiwegekatalysator) die Stickoxide aus dem Abgas wieder entfernen (nachträgliche Entstickung), indem er sie in Stickstoff und Sauerstoff zerlegt. Seine Wirksamkeit hängt allerdings von den Einsatzbedingungen ab – bei Luftüberschuss ist die Stickoxid-Reduktion schwieriger.
Ottomotoren (Benzinmotoren) können hohe Mengen von Stickoxiden erzeugen, die jedoch mit einem Dreiwegekatalysator größtenteils wieder entfernt werden, sobald dieser seine Betriebstemperatur erreicht hat (also noch nicht direkt nach dem Kaltstart). Bei Dieselmotoren ist die Entstickung deutlich schwieriger und erfolgt nur bei modernen Motoren. Diesen technischen Schwierigkeiten tragen auch Abgasnormen Rechnung. Beispielsweise limitiert die Abgasnorm Euro 5 für Personenwagen mit Benzinmotor die Stickoxidemissionen auf 60 mg/km, während für Autos mit Dieselmotoren der dreifache Wert (180 mg/km) gilt. Mit der Euro 6 (seit dem September 2014) erfolgte allerdings eine deutliche Verschärfung auf 80 mg/km für Diesel-Pkws. Leider haben Messungen aber gezeigt, dass die Stickoxidemissionen vieler moderner Dieselfahrzeuge im Praxisbetrieb weit oberhalb derjenigen liegen, die in den bislang benutzten Zulassungstests gemessen werden [2]. Offenbar erfolgen diese Testmessungen nicht unter hinreichend realistischen Bedingungen, und manche Motoren scheinen speziell auf diese Testmessungen hin optimiert zu sein. In 09/2015 flog auf, dass Volkswagen sogar gesetzlich verbotene Manipulationen eingesetzt hat, um die Einhaltung von Grenzwerten in Abgastests zu erzielen, obwohl die Emissionen in der Praxis vielfach höher sind [3]. Es sollte möglich sein, realistischere Testbedingungen vorzuschreiben, Betrügereien zu unterbinden und die Motoren bzw. ihre Abgasreinigungsanlagen besser zu optimieren, aber dies könnte zu weiteren Erhöhungen der Herstellungskosten führen.
Bei Verbrennungsmotoren wie auch bei Kraftwerksfeuerungen (z. B. in Kohlekraftwerken) gibt es diverse Primärmaßnahmen, um die Bildung von Stickoxiden direkt im Prozess zu vermindern. Hierbei spielt meist eine genaue Kontrolle der Verbrennungsluftzufuhr eine Rolle, aber es gibt auch Methoden wie die Abgasrückführung. Sekundärmaßnahmen sind solche, die die Stickoxide nachträglich wieder aus dem Abgas entfernen. Hierzu gehört die Verwendung von Abgaskatalysatoren (siehe oben) wie auch die selektive nichtkatalytische Reduktion. Leider können manche Maßnahmen der Stickoxidreduktion (auch Dreiwegekatalysatoren) andererseits die Bildung des klimaschädlichen Lachgases (N2O) verstärken.
Moderne Öl- und Gasbrenner z. B. für Heizungsanlagen emittieren relativ wenig NOx pro gelieferter Kilowattstunde Wärme; andererseits wird von einem Haushalt pro Jahr oft wesentlich mehr Energie für die Heizung verbraucht (jedenfalls bei schlechter Wärmedämmung) als für das Auto. Deswegen ist die Minimierung dieser Emissionen wichtig. Bei der Verbrennung von Feststoffen wie Holz und Kohle entsteht leider oft relativ viel NOx. Trotzdem wird die NOx-Belastung der städtischen Luft meist vom Verkehr dominiert.
In der Landwirtschaft kann die Bildung des klimaschädlichen Lachgases (und gleichzeitig der Energiebedarf) reduziert werden, indem der Einsatz von Stickstoffdüngern reduziert wird.
Gesundheitliche und ökologische Wirkungen
Stickoxide sind besonders wichtige Luftschadstoffe. Sie sind in Konzentrationen, wie sie in Städten häufig entstehen, für die Atemwege schädlich. Insbesondere Stickstoffdioxid (NO2) hat eine stark reizende Wirkung und trägt zu Asthmaerkrankungen bei – selbst in Gegenden, in denen die Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Der charakteristische Geruch von Stickoxiden ist in Autoabgasen oft leicht zu erkennen. Bei der Bildung von Smog an stark belasteten Standorten spielen Stickoxide eine wichtige Rolle.
Ein weiteres Problem ist, dass Stickoxide in der Atmosphäre die Entstehung des ebenfalls giftigen und die Atemwege reizenden Ozons (unter Mitwirkung von ultraviolettem Licht) begünstigen. Da die entsprechenden chemischen Reaktionen nicht sofort am Ort der Emissionen stattfinden und hohe Stickoxidkonzentrationen lokal sogar die Ozonbildung unterdrücken, sind die Ozonkonzentrationen fernab der Emittenten von Stickoxiden oft sogar höher. Übrigens wird die Ozonbildung aus Stickoxiden gefördert, wenn zusätzlich noch Kohlenwasserstoffe (aus Abgasen oder auch aus natürlichen Quellen) in der Luft sind.
Bei Kontakt mit Wasser bilden Stickoxide (mit Ausnahme von N2O) Säuren. Sie tragen dadurch zur Versauerung von Böden und Seen bei.
Eine weitere Wirkung vor allem von N2O (Lachgas) ist die Verstärkung des Treibhauseffekts: N2O ist über 300 mal stärker klimawirksam als Kohlendioxid (CO2). Dieses Gas entsteht vor allem in der Landwirtschaft, kaum jedoch bei Verbrennungsprozessen.
Die lokale Belastung der Luft mit Stickoxiden (Stickoxid-Immissionen) hängt z. B. in Deutschland stark vom jeweiligen Standort ab: In städtischen Gebieten und insbesondere in verkehrsreichen Zonen treten die höchsten Belastungen auf. Der Individualverkehr und Lieferverkehr trägt in Ballungsräumen hierzu am meisten bei, und zwar hauptsächlich von Fahrzeugen mit Dieselmotor. (Zwar wurden die Stickoxid-Emissionsgrenzwerte für Dieselmotoren in den letzten Jahren immer mehr abgesenkt, jedoch hat sich gezeigt, dass die Wirksamkeit der Stickoxid-Minderung im Praxisbetrieb häufig weitaus geringer ist als in den offiziellen Testzyklen.) Andere wesentliche Emittenten sind Haushalt und Gewerbe (z. B. Heizungsanlagen) sowie Kraftwerke (trotz inzwischen weitgehender Entstickung) und Industrie, wobei die letzteren beiden allerdings vorwiegend außerhalb der Wohnzonen emittieren. Heizungsanlagen können je nach Art und Qualität erhebliche lokale Belastungen verursachen; allerdings verursacht beispielsweise eine Ölheizung mit einem modernen Brenner normalerweise pro Liter Heizöl nur einen Bruchteil der Stickoxid-Emissionen, die ein typisches modernes Dieselfahrzeug pro verbrauchter Liter Kraftstoff erzeugt.
Die bisher erreichte Verminderung der Stickoxid-Immissionen ist vielerorts noch unzureichend, vor allem für den Schutz der menschlichen Gesundheit.
Literatur
[1] | Aktuelle Luftdaten vom Umweltbundesamt, http://www.umweltbundesamt.de/daten/luftbelastung/aktuelle-luftdaten |
[2] | V. Franco et al., "Real-world exhaust emissions from modern diesel cars", International Council of Clean Transportation, https://theicct.org/publication/real-world-exhaust-emissions-from-modern-diesel-cars/ |
[3] | Blog-Artikel: Dieselfahrzeuge von Volkswagen: Einhaltung von Abgasgrenzwerten mit illegalen Tricks |
[4] | Blog-Artikel: Lungenärzte gegen Immissionsgrenzwerte – was ist davon zu halten? |
[5] | Blog-Artikel Diesel-Nachrüstung gegen Stickoxide: wirksam, praktikabel und bezahlbar |
[6] | Blog-Artikel: Krankheit und Tod durch Dieselabgase – eine Folge von Korruption |
[7] | Blog-Artikel: Stickoxidemissionen von modernen Dieselfahrzeugen – deutlich höher als gedacht |
[8] | Blog-Artikel: Einfluss der Fahrweise auf den Schadstoffausstoß eines Autos |
Siehe auch: Lachgas, Abgas, Ozon, Messverfahren für Kraftstoffverbrauch und Abgaswerte
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