Strahlung
Definition: hochenergetische Teilchen oder Lichtquanten, die sich im Raum ausbreiten
Spezifischere Begriffe: radioaktive Strahlung, Röntgenstrahlung, Terahertz-Strahlung, Teilchenstrahlung, elektromagnetische Strahlung
Englisch: radiation
Kategorien: Grundbegriffe, Kernenergie, physikalische Grundlagen
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 18.05.2011; letzte Änderung: 20.08.2023
Der Begriff der Strahlung umfasst einen weiten Bereich von Phänomenen:
- Radioaktive Strahlung besteht aus hochenergetischen Teilchen (Heliumkernen, Elektronen, Positronen, Neutronen u. a.) oder Lichtquanten (Photonen), die von Atomkernen bei ihrem radioaktiven Zerfall ausgestoßen werden. Man unterscheidet diverse Arten radioaktiver Strahlung. Die wichtigsten Formen sind <$\alpha$>-Strahlung (Alphastrahlung) (bestehend aus <$\alpha$>-Teilchen = Heliumkernen), <$\beta$>-Strahlung (Betastrahlung) (Elektronen oder Positronen), Neutronenstrahlung und die rein elektromagnetische <$\gamma$>-Strahlung (Gammastrahlung) (hochenergetische Photonen).
- Bei vielen radioaktiven Prozessen entstehen auch Neutrinos, die sich aber kaum je bemerkbar machen, da sie mit anderer Materie fast nicht wechselwirken. Deswegen sind sie auch bezüglich der Strahlenbelastung irrelevant.
- Auch mit Teilchenbeschleunigern lassen sich Protonen, Elektronen und andere elektrisch geladene Teilchen auf hohe Energien beschleunigen, so dass sie eine Strahlung darstellen.
- Röntgenstrahlung entsteht in Röntgenröhren, wie sie insbesondere zur medizinischen Diagnostik und für Materialuntersuchungen verwendet werden, und besteht wie <$\gamma$>-Strahlung aus Photonen, deren Energie allerdings typischerweise deutlich niedriger ist als bei <$\gamma$>-Strahlung, andererseits aber viel höher als bei Licht.
- Synchrotronstrahlung entsteht in technischen Anlagen, in denen hochenergetische elektrisch geladene Teilchen (meist Elektronen oder Protonen) durch Magnetfelder geschickt werden. Teils entsteht diese Strahlung unerwünscht, teils auch absichtlich optimiert für bestimmte Anwendungen.
- Deutlich niedrigere Energien der Photonen liegen vor bei ultraviolettem, sichtbarem und infrarotem Licht. Letzteres wird auch als Wärmestrahlung bezeichnet.
- Nochmals niedrigere Photonenenergien kommen vor bei Terahertz-Strahlung, Mikrowellen und Radiowellen. Strahlung von diversen Geräten zur Informationsübertragung – etwa bei Mobilfunk und bei WLAN – gehört meist zum Bereich der Mikrowellen.
Elektromagnetische Strahlung ist Strahlung, die allein auf elektromagnetischen Wellen basiert. Nach der Quantentheorie besteht auch diese in einem gewissen Sinn aus einer Art von Teilchen, den oben genannten Lichtquanten oder Photonen. Dieser Teilchencharakter ist bei hohen Photonenenergien besonders relevant; die Quanten von Gammastrahlung können ihre gesamte Energie auf ein einzelnes Atom oder Molekül übertragen, also extrem konzentriert wirksam werden lassen. Von Teilchenstrahlung spricht man aber nur, wenn Teilchen mit Ruhemasse (also nicht z. B. Photonen) involviert sind.
Allen Arten von Strahlung im echten physikalischen Sinne ist gemeinsam, dass sie sich von ihren Quellen quasi abgelöst haben; sie würden weiterhin Energie transportieren, selbst wenn ihre Quelle plötzlich versiegen würde. Beispielsweise kann eine elektromagnetische Antenne mit einem einzelnen elektrischen Impuls gespeist werden, und auch wenn danach keinerlei Energie mehr in die Antenne eingespeist wird, breitet sich dieser Impuls weiterhin im Raum aus.
Bei niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern liegt nicht immer Strahlung im physikalischen Sinne vor. Häufig handelt es sich nämlich um Felder, die nur in der näheren Umgebung beispielsweise von elektrischen Leitungen eine nennenswerte Stärke haben; zumindest trägt tatsächlich abgestrahlte Energie fast gar nicht zu den beobachteten Feldstärken bei. Eine solche Sachlage schließt freilich nicht aus, dass Energie beispielsweise auf andere Leiter, die sich innerhalb des Bereichs starker Felder befinden, übertragen wird.
In jedem Fall kann Strahlung nur dadurch problematisch werden, dass sie konzentrierte Energie überträgt – mit der einen Ausnahme, dass Neutronenstrahlung andere Materialien radioaktiv aktivieren (also radioaktiv machen) kann. Die beispielweise von Alpha- oder Betastrahlung transportierte Materie an sich ist unschädlich.
Intensive Strahlung verschiedener Arten trifft aus dem Weltall auf die Erde – bis hin zu extrem energiereichen Protonen, deren Ursprung bislang nicht bekannt ist. Der Großteil dieser Strahlung wird von der Erdatmosphäre abgeschirmt, so dass Menschen ihr kaum ausgesetzt sind, außer wenn sie in großer Höhe fliegen oder gar als Astronauten die Erdatmosphäre verlassen.
Ionisierende und nicht ionisierende Strahlung
Strahlung, bei denen die Energie der Teilchen oder Photonen höher ist als wenige Elektronenvolt (1 eV = 1,609 · 10−19 Joule), wird als ionisierende Strahlung bezeichnet. Dies bedeutet, dass diese Strahlung Atome oder Moleküle ionisieren kann, ihnen also Elektronen entreißen und damit auch chemische Umwandlungen auslösen kann. Dieser Vorgang liegt vielen Schädigungsmechanismen zugrunde, beispielsweise der Erbgutschädigung und Krebserzeugung durch radioaktive Strahlung. Es besteht der begründete (wenn auch nicht strikt bewiesene) Verdacht, dass auch geringste Mengen ionisierender Strahlung schädliche Wirkungen haben können, wenn auch mit entsprechend geringer Wahrscheinlichkeit. Dies würde bedeuten, dass auch die Radioaktivität natürlichen Ursprungs durchaus schädlich ist. Das Vorsorgeprinzip verlangt jedenfalls, auch solche Strahlenbelastungen so weit wie möglich zu reduzieren.
Diese oben genannten Schädigungsmechanismen scheiden für nicht ionisierende Strahlung wie z. B. Mikrowellen aus. Trotzdem kann auch nicht ionisierende Strahlung schädlich sein, insbesondere bei hohen Intensitäten – beispielsweise durch übermäßige Erwärmung. In wieweit auch geringe Intensitäten nicht ionisierender Strahlung schädlich sein könnten, ist umstritten. Es werden zwar immer wieder Indizien für solche schädigenden Wirkungen berichtet, aber ein die Fachwelt überzeugender wissenschaftlicher Nachweis ist trotz großer Anstrengungen über etliche Jahrzehnte bis heute nicht gelungen. Umgekehrt gibt es keinen Beweis, dass es solche Schädigungen nicht gibt; naturgemäß ist ein solcher Gegenbeweis so gut wie unmöglich, da man kaum alle denkbaren Situationen mit möglichen Schadwirkungen untersuchen könnte. Denkbar (aber ebenfalls unbewiesen) ist auch, dass nicht ionisierende Strahlung nur bei starker Intensitätsmodulation, wie sie bei Mobilfunk und WLAN auftritt, schädliche biologische Wirkungen über sogenannte Demodulationseffekte entwickeln kann.
Unterscheidung von radioaktiver Strahlung und strahlenden Substanzen
Eine klare Unterscheidung sollte gemacht werden zwischen radioaktiver Strahlung und radioaktiv strahlenden Substanzen. Diese Substanzen sind selbst keine Strahlung, sondern senden solche aus. Einige Beispiele:
- Ein menschlicher Körper wird einer starken Strahlenbelastung ausgesetzt, wenn entsprechende Mengen radioaktiver Substanzen von ihm aufgenommen werden (etwa durch Inhalation oder Verschlucken). Soweit es sich um <$\gamma$>-Strahler handelt, kann dies auch andere Menschen in der Nähe gefährden, weil die Gammastrahlung den Körper teilweise ganz durchdringen und verlassen kann. Dies ist beispielsweise der Fall bei der Radioiod-Therapie, die gegen bestimmte Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt wird; hierbei muss man radioaktives Iod schlucken, das sowohl Betastrahlung als auch Gammastrahlung abgibt.
- Bei der Aufnahme von Alphastrahlern wäre dies anders; die Alphastrahlung kann in ihrer unmittelbaren Umgebung starke Schäden verursachen, andererseits aber wegen ihrer geringen Reichweite nicht aus dem Körper gelangen. Dagegen könnten solche radioaktiven Stoffe u. U. wieder ausgeschieden und dann für andere Menschen gefährlich werden.
- Wird ein Körper nur von außen bestrahlt, wird er dadurch in der Regel nicht selbst strahlend – außer bei Aktivierung durch Neutronenstrahlung. Opfer von Strahlenunfällen werden also für andere in aller Regel höchstens dann gefährlich, wenn sie mit radioaktiven Substanzen kontaminiert sind, diese also im oder am Körper (ggf. auch auf der Kleidung) tragen. Jedoch sendet niemand selbst Strahlung aus, wenn er z. B. mit Röntgen- oder Gammastrahlung behandelt wurde. Selbst eine Person, die durch Aufnahme radioaktiver Substanzen schwer geschädigt wurde, kann für andere Personen völlig ungefährlich bleiben, solange diese Substanzen in ihrem Körper bleiben (beispielsweise dauerhaft eingelagert in die Knochensubstanz).
Der Artikel über Radioaktivität diskutiert noch genauer, wie verschiedene radioaktive Substanzen in den Körper gelangen und dort durch Strahlung schädigen können.
In der Presse trifft man immer wieder auf Feststellungen, die diese klare Unterscheidung vermissen lassen. Wenn beispielsweise gesagt wird, dass aus einem havarierten Kernkraftwerk "Strahlung austritt", so ist in der Regel nicht wirklich die Gammastrahlung gemeint, die in unmittelbarer Nähe des Kraftwerks auftritt, sondern das Austreten radioaktiver Stoffe, die unter Umständen in einer weiten Gegend verteilt und dort schädlich werden können.
Der Begriff "Verstrahlung" ist unklar und deshalb auch unwissenschaftlich, weil er mit unterschiedlichen (meist nicht klar ausgedrückten) Bedeutungen verwendet wird. Manchmal ist damit eine hohe Belastung durch Bestrahlung gemeint, in anderen Fällen die Kontamination (Verunreinigung) mit strahlenden Substanzen.
Wahrnehmung von Strahlung
Die menschlichen Sinnesorgane können nur eine Art von Strahlung direkt wahrnehmen: sichtbares Licht. Indirekt ist praktisch nur die Wärme spürbar, die bei Absorption intensiver Strahlung (etwa Wärmestrahlung = Infrarotlicht oder starken Radiowellen) im Körper oder auf seiner Oberfläche entsteht. Die Behauptung, es gebe elektrosensible Menschen, die hochfrequente elektromagnetische Felder im Radiowellen- oder Mikrowellenbereich wahrnehmen könnten (auch weit unterhalb der Schwelle thermischer Wirkungen), wurde wissenschaftlich untersucht, konnte aber niemals für die Fachwelt überzeugend belegt werden.
Starke elektrostatische Felder sind durchaus spürbar, aber nicht als Strahlung zu bezeichnen, da sie keine Energie transportieren.
Messung von Strahlung
Je nach Art der Strahlung können unterschiedliche Arten von Messgeräten für die Intensität oder Dosis einer Strahlung verwendet werden:
- Geigerzähler (Geiger-Müller-Zählrohre) können Gammastrahlung und bei geeigneter Konstruktion auch Alpha- und Betastrahlung anzeigen.
- Es gibt bestimmte elektronische Halbleitersensoren, die nicht nur die Intensität, sondern auch die Photonenergie von Gammastrahlung messen können. Man erhält auf diese Weise komplette Strahlungsspektren, die viel aussagekräftiger sind als eine einzelne Zahl für die Intensität einer Strahlung. Beispielsweise lässt sich damit die Art einer strahlenden Substanz oft sehr leicht ermitteln.
- Diverse Arten von Dosimetern können die insgesamt in einer bestimmen Zeitspanne empfangene Strahlendosis bestimmen.
Die Empfindlichkeit vieler Strahlenmessgeräte hängt stark von der Art der Strahlung und ihrer Energie ab. Deswegen sind damit oft keine wirklich quantitativen Messungen möglich, wenn die Art und Energie der Strahlung nicht im Voraus bekannt ist. Immerhin erlauben einfache Messgeräte immerhin den sofortigen Nachweis von Strahlung – insofern ist die Lage bei radioaktiven Belastungen deutlich günstiger als bei chemischen Kontaminationen: Beispielsweise sind Dioxin-Analysen ziemlich zeitaufwendig und sehr teuer.
Einheiten für die Quantifizierung von Strahlung
Biologisch relevant für Strahlenwirkungen in einem Körper ist erstens die durch die Strahlung in den Körperzellen deponierte Energie und zweitens auch die Art der Strahlung, die die biologische Wirksamkeit mit bestimmt. Nur der erste Aspekt wird über die Energiedosis erfasst: 1 Gray bedeutet ein Joule pro Kilogramm Körpergewebe. (Früher wurde häufig die Einheit Rad verwendet; 1 Gray = 100 Rad.)
Durch Multiplikation mit einem Faktor, der die biologische Wirksamkeit der Strahlung bewertet, erhält man die Äquivalentdosis mit der Einheit Sievert. Die Belastung z. B. in der Nähe eines havarierten Kernkraftwerks wird oft in Millisievert pro Stunde angegeben; das sagt aus, welche Strahlendosis man durch einen einstündigen ungeschützten Aufenthalt am jeweiligen Ort erhalten würde (vorausgesetzt, dass man nicht zusätzlich radioaktive Substanzen aufnimmt, etwa über die Atemluft).
Wichtig ist auch der Begriff der Ganzkörperdosis. Offensichtlich ist es weniger schlimm, wenn nur ein kleiner Körperteil eine gewisse Strahlendosis erhält, als wenn dasselbe den gesamten Körper betrifft. Für Vergleiche kann z. B. bei medizinischen CT-Aufnahmen eine äquivalente Ganzkörperdosis berechnet werden, die geringer ist als die vom betroffenen Körperteil erhaltene Dosis. Hierbei kann auch die unterschiedliche Strahlenempfindlichkeit verschiedener Organe berücksichtigt werden. Übrigens liegt der Verwendung einer äquivalenten Ganzkörperdosis die zwar plausibel erscheinende, wissenschaftlich aber nicht gesicherte Annahme zu Grunde, dass die Gefahr einer Schädigung eines Körperteils linear von der jeweiligen Bestrahlungsdosis abhängt.
Siehe auch: Radioaktivität, Wärmestrahlung
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