Strommix
Definition: die Aufteilung der Stromerzeugung nach verschiedenen Primärenergieträgern
Englisch: electricity mix
Kategorien: elektrische Energie, Energieträger, Grundbegriffe
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 17.08.2010; letzte Änderung: 20.08.2023
Der Strommix eines Energieversorgers ist die prozentuale Aufteilung seiner Stromlieferungen nach Primärenergieträgern. Dieser muss z. B. in Deutschland im Rahmen der Stromkennzeichnung den Stromkunden (Endverbrauchern) auf der Jahresstromrechnung angegeben werden, damit diese die Stromprodukte bewerten können. Die Stromkennzeichnung gibt auch Auskunft über die Umweltauswirkungen des jeweiligen Strommixes, insbesondere über die Kohlendioxid-Emissionen und die entstehende Menge radioaktiver Abfälle. Allerdings enthält die Stromkennzeichnung in Deutschland wichtige Details nicht, z. B. die Unterscheidung verschiedener fossiler Energieträger, und für den Handel über die Strombörse gelten Regelungen, die eine Verschleierung der Herkunft des Stroms ermöglichen. Ebenfalls entstehen Ungenauigkeiten im Zusammenhang mit Regelenergie und unterschiedlichen zeitlichen Lastprofilen.
Der Strommix eines Versorgers muss nicht unbedingt mit dem seines Kraftwerksparks übereinstimmen, da ein Versorger elektrische Energie von anderen Firmen kaufen oder an solche verkaufen kann. Ebenfalls können RECS-Zertifikate (→ Ökostrom) gehandelt werden, wobei quasi die ökologischen Qualitäten von Stromprodukten getauscht werden.
Der Strommix kann sich zwischen verschiedenen Energieversorgern in einem Land massiv unterscheiden. In Deutschland setzen einige Großkonzerne zu über 60 %, teils sogar über 70 % auf fossile Energieträger, d. h. weitgehend auf Kohle und Erdgas. Dagegen liefern Ökostrom-Anbieter größtenteils Strom aus erneuerbaren Energie, teilweise auch Strom aus schadstoffarmer Kraft-Wärme-Kopplung auf der Basis von Erdgas.
Strommix von Ländern
Häufig wird auch ein Strommix eines Landes angegeben. Hier sind jedoch zwei Dinge zu unterscheiden:
- der Strommix der Erzeugung entsprechend den in einem Land betriebenen Kraftwerken
- der Strommix der Lieferungen an die Endverbraucher
Diese können sich wegen des internationalen Stromhandels erheblich unterscheiden. Beispielsweise exportieren die Energieversorger der Schweiz große Mengen Ökostrom aus Wasserkraftwerken und importieren dafür Strom aus klimaschädlichen Kohlekraftwerken. Deswegen ist zwar der Erzeugungs-Strommix der Schweiz nahezu CO2-frei, der den schweizerischen Verbrauchern gelieferte Strommix jedoch keineswegs. Beispielsweise erhielten die schweizerischen Verbraucher in 2007 zu 19 % Strom "unbekannter Herkunft" und nur zu 36 % Wasserkraftstrom, obwohl 55 % der schweizerischen Erzeugung aus Wasserkraft stammten. Wenn in der Schweiz unter Ausblendung dieser Umstände für angeblich fast CO2-freien Strom geworben wird, werden Konsumenten hiermit irregeführt.
Saisonal variierender Strommix
In der Regel wird ein Strommix über das gesamte Jahr gemittelt; nur selten findet man Daten z. B. für Sommer und Winter, die sich massiv voneinander unterscheiden können. Beispielsweise gibt es in Deutschland im Sommer mittlerweile einen erheblichen Anteil von Solarstrom, während dieser im Winter nur sehr wenig beiträgt. Die Produktion von Winterstrom ist nach wie vor dominiert von Kohle, Erdgas und Kernenergie.
Dies ist relevant beispielsweise für die Beurteilung der Klimaschädlichkeit von Elektroheizungen; für diese ist natürlich nur der Winter-Strommix relevant, und dieser ist erheblich klimaschädlicher als der des Sommers. Wenn Elektroheizungen verteidigt werden auf der Basis, dass doch inzwischen viel Solarstrom im Netz sei, ist dies ziemlich irreführend, weil dieser Strom eben kaum für die Heizungen verfügbar ist.
Persönlicher Strommix
Im Rahmen der Liberalisierung des Strommarkts ist es für die Endverbraucher möglich geworden, ihren Strommix selbst zu bestimmen – entweder über die Auswahl eines entsprechenden Stromprodukts ihres lokalen Versorgers oder durch Wechsel des Stromversorgers (→ Stromanbieterwechsel). Insbesondere ist es möglich, Ökostrom zu beziehen, der vollkommen oder nahezu CO2-frei ist und dessen Produktion auch nicht zur Entstehung radioaktiver Abfälle beiträgt. Hierbei gilt es allerdings einige wichtige Details zu berücksichtigen, die im Artikel über Ökostrom erklärt werden.
Die Optimierung des persönlichen Strommix ist natürlich nur sinnvoll, wenn sie so gestaltet wird, dass sie auch den Strommix in größerem Maßstab entsprechend beeinflusst. Beispielsweise hilft es nicht, wenn jemand mit einem entsprechenden Stromtarif lediglich die benötigte Menge Stroms aus sauberen Quellen quasi für sich reserviert, wobei dann aber andere Kunden mit entsprechend mehr "Dreckstrom" beliefert werden. Seriöse Ökostromanbieter garantieren insbesondere die "Zusätzlichkeit" (Additionalität) der verwendeten Anlagen, um solche Probleme zu vermeiden
Ist der Strommix eines Energieversorgers aussagekräftig für die Klimafreundlichkeit?
Die Beurteilung der Klimafreundlichkeit des Strombezugs von einem Energieversorger ist allein auf der Basis des gezeigten Strommixes nicht möglich. Zunächst einmal ist der Strommix der Kraftwerke des Betreibers vom verkauften Strommix zu unterscheiden. Selbst wenn der verkaufte Strommix gut aussieht, ist der Bezug dieses Stroms nicht automatisch umweltfreundlich. Entscheidend für die Wirkung des Ökostroms ist nämlich, dass dessen Bezug nicht indirekt den Strommix anderer Verbraucher negativ beeinflusst: Es ist sinnlos, wenn z. B. einige Verbraucher den mit Wasserkraft erzeugten Strom (mit Preisaufschlag) kaufen, andere dafür einen entsprechend größeren Anteil von Kohle- oder Atomstrom erhalten. Der Artikel über Ökostrom beschreibt, wie dies vermieden werden kann. Im Kern geht es darum zu garantieren, dass der bezogene Ökostrom zur Ausweitung der Ökostrom-Kapazitäten führt, dass also eine echte Zusätzlichkeit vorliegt.
Bewertung von Umweltwirkungen durch den Strommix
Häufig werden Umweltwirkungen, die von einem zusätzlichen Stromverbrauch oder umgekehrt auch von Stromeinsparungen erwartet werden, mit Hilfe des Strommixes des jeweiligen Landes (oder der EU) bewertet. Implizit wird damit angenommen, dass jede zusätzlich verbrauchte Kilowattstunde anteilig von den Kraftwerken, die den Strommix repräsentieren, erzeugt wird: beispielsweise in der Schweiz zu 55 % aus Wasserkraft. Diese meist unausgesprochene Annahme ist allerdings oft vollkommen falsch. Beispielsweise wird ein zusätzlicher Stromverbrauch in der Schweiz keineswegs die jährliche Wasserkraftproduktion erhöhen, da die Wasserkraftwerke ohnehin so viel Strom liefern, wie sie können, und der zusätzliche Stromverbrauch auch keinen Ausbau der Wasserkraftkapazitäten bewirkt (außer wenn man Ökostrom von einem Anbieter beziehen würde, der genau dies garantiert). Umgekehrt wird bei Stromeinsparungen keineswegs Wasser ungenutzt von den schweizerischen Bergen abfließen, sondern vielmehr werden andere Kraftwerke außer Betrieb genommen oder in der Leistung gedrosselt – sogar eher Kraftwerke im EU-Raum als in der Schweiz. Hauptsächlich betroffen von solchen Verbrauchsänderungen sind Kohlekraftwerke und Gaskraftwerke im Bereich der Mittellast. Deswegen sind auch die Klimaauswirkungen von Verbrauchserhöhungen oder Einsparungen wesentlich größer, als man sie aufgrund des Strommixes erwarten würde.
Literatur
[1] | Extra-Artikel: Wo kommt mein Strom her? – Überlegungen zu Stromherkunft, Ökostrom und dem Klimaschutzeffekt des Energiesparens |
[2] | "Ein Fünftel des Stroms aus Schweizer Steckdosen ist unbekannter Herkunft", Artikel vom schweizerischen Bundesamt für Energie (2009) |
Siehe auch: elektrische Energie, Kraftwerk, Ökostrom, Kohlendioxid, Klimagefahren
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