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Thermodynamik

Definition: ein Gebiet der klassischen Physik, das sich mit Wärme und mechanische Energie befasst

Alternativer Begriff: Wärmelehre

Englisch: thermodynamics

Kategorien: Grundbegriffe, Kraftmaschinen und Kraftwerke, physikalische Grundlagen, Wärme und Kälte

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 08.11.2014; letzte Änderung: 20.08.2023

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Die Thermodynamik ist ein Gebiet der klassischen Physik, welches seit dem 19. Jahrhundert entwickelt wurde und bis heute für Wissenschaft und Technologie sehr wichtig ist. Obwohl die Thermodynamik auch als Wärmelehre bezeichnet wird, befasst sie sich nicht nur mit dem Phänomen der Wärme, sondern auch mit mechanischer Energie und mit der Umwandlung von Energie zwischen diesen Formen. Teile der Thermodynamik schließen auch chemische Prozesse mit ein.

Die Anfänge der Thermodynamik wurden entwickelt, bevor ein genaueres Verständnis der mikroskopischen Beschaffenheit der Materie vorhanden war. Sie befasst sich deswegen nicht mit dem Verhalten einzelner Atome oder Moleküle, sondern beschreibt die Materie makroskopisch; beispielsweise wird eine Flüssigkeit als ein völlig homogener Stoff angesehen und nicht etwa als eine Ansammlung kleiner Teilchen. Für das Verständnis vieler interessanter Aspekte ist ein solches extrem vereinfachtes Modell durchaus ausreichend. Heute existiert in Form der Statistischen Mechanik auch eine Theorie, die auf einer mikroskopischen Beschreibung basiert (siehe unten). Dies ist eine Ergänzung mit fundamentaler Bedeutung, aber dessen ungeachtet bleibt die Thermodynamik als eine makroskopische Theorie weiterhin sehr nützlich und wichtig.

Modelle der Thermodynamik enthalten häufig sogenannte Systeme. Beispielsweise kann ein bestimmtes Gasvolumen, welches in einem abgeschlossenen Raum innerhalb einer Maschine (etwa in einer Dampfmaschine oder im Brennraum eines Verbrennungsmotors) existiert, als ein solches System betrachtet werden. Im einfachsten Fall betrachtet man ein abgeschlossenes System, welches mit seiner Umgebung weder Energie noch Stoffe austauscht. In anderen Fällen kann an einer Systemgrenze beispielsweise Wärme ausgetauscht oder mechanische Arbeit geleistet werden.

Der Zustand eines thermodynamischen Systems wird durch sogenannte Zustandsgrößen wie die Temperatur <$T$>, das Volumen <$V$>, der Druck <$p$>, die innere Energie <$U$> und die Entropie <$S$> beschrieben. Sie charakterisieren den Zustand des Systems wohlgemerkt im sogenannten thermodynamischen Gleichgewicht; in Zuständen abseits vom Gleichgewicht sind sie teils gar nicht definiert. Außerdem gibt es sogenannte Prozessgrößen wie Wärme und mechanische Arbeit, die bei bestimmten Prozessen einem System von außen zugeführt oder von ihm nach außen abgegeben werden. Es wurde eine Vielzahl von Gleichungen entwickelt, die beispielsweise Beziehungen zwischen bestimmten Zustandsgrößen herstellen (Zustandsgleichungen) oder angeben, wie sich bestimmte Zustandsgrößen bei Prozessen ändern. Die Differenzialrechnung wird dabei ausgiebig verwendet.

Die Erkenntnisse der Thermodynamik wurden anfangs einfach durch experimentelle Beobachtungen gewonnen. Beispielsweise fand man so die allgemeine Gasgleichung <$p \cdot V = n \cdot R_m \cdot T$>, welche die Zustandsgrößen Druck, Volumen und Temperatur eines idealen Gases miteinander in Verbindung setzt. Später wurden jedoch zusätzlich durch teils äußerst komplizierte Überlegungen auch recht abstrakte Größen wie die Energie, Enthalpie und Entropie entwickelt, und es wurden diverse Zusammenhänge zwischen solchen Größen gefunden, die sich keineswegs direkt aus experimentellen Beobachtungen ergeben hätten.

Eine wichtige Rolle spielen die drei Hauptsätze der Thermodynamik, die in einem separaten Artikel ausführlich behandelt werden. Der erste und wohl bekannteste Hauptsatz betrifft das besonders wichtige Gesetz der Energieerhaltung. Der zweite Hauptsatz dagegen schränkt mögliche Prozesse weiter ein; im Kern lässt er sich durch ein Verbot der Abnahme der gesamten Entropie formulieren.

Verbindung mit der Statistischen Mechanik

Etwas später wurde das Gebiet der Statistischen Mechanik entwickelt (federführend von James Clerk Maxwell und Ludwig Boltzmann), welches eine ausgefeilte mikroskopische Theorie ist. Sie beschreibt beispielsweise ein Gas als eine Vielzahl mikroskopischer Teilchen, die sich auf ungeordnete Weise durch den Raum bewegen und dabei nur wenig miteinander wechselwirken. Von Interesse sind dabei allerdings nicht die genauen Bewegungen einzelner Teilchen, sondern nur gewisse statistische Größen wie z. B. ihre mittlere Bewegungsenergie, die für den makroskopischen Zustand eines Systems von Bedeutung sind. Man arbeitet also mit Modellen, die Stoffe zunächst extrem detailliert beschreiben, reduziert die zu handhabende Datenmenge dann aber durch Verwendung statistischer Größen enorm.

Obwohl die Statistische Mechanik und Thermodynamik auf völlig unterschiedlichen Modellen der Materie fußen, behandeln sie oft genau die gleichen Elemente der Realität. Somit lag es nahe, die Resultate dieser beiden Theorien miteinander in Verbindung zu setzen. Dabei stellte sich insbesondere die Frage, wie genau der Zusammenhang zwischen diversen makroskopischen Größen (z. B. Druck und Temperatur) und mikroskopischen Größen wie z. B. Geschwindigkeiten von Teilchen herzustellen ist:

  • Der Druck eines Gases beispielsweise auf den Kolben eines Hubkolbenmotors wird dadurch erklärt, dass in jeder Sekunde eine Vielzahl von Gasteilchen auf den Kolben schlägt, an diesem reflektiert wird und jeweils einen kleinen Impuls auf ihn überträgt. Die Kraft auf den Kolben ergibt sich als der mittlere Impulsübertrag pro Sekunde.
  • Die innere Energie eines Gases hängt direkt mit der gesamten Bewegungsenergie der einzelnen Atome oder Moleküle zusammen, wobei allerdings zusätzliche Beiträge durch die Wechselwirkung solcher Teilchen auftreten können.
  • Unterschiedliche Aggregatzustände der Materie, die die Thermodynamik einfach als beobachtete Phänomene hinnimmt, werden in der Statistischen Mechanik auf der Basis von Wechselwirkungen zwischen Teilchen mithilfe subtiler theoretischer Überlegungen erklärt. Auch Phasenübergänge (Wechsel von Aggregatzuständen) werden so physikalisch verständlich. Übrigens zeigte sich hierbei, dass diverse Aussagen über Aggregatzustände und deren Änderungen nur im Grenzfall großer Systeme gelten, die also eine sehr große Zahl von Teilchen enthalten.
  • Einige Größen wie die Entropie oder auch die Temperatur können nicht auf einfache Weise mit den Mittelwerten bestimmter mikroskopischer Größen identifiziert werden; vielmehr sind hierbei teils recht abstrakte statistische Betrachtungen notwendig.

Die Statistische Mechanik absorbierte später auch grundlegende Erkenntnisse der Quantenmechanik. Beispielsweise spielt die prinzipielle Ununterscheidbarkeit mikroskopischer Teilchen bei bestimmten statistischen Betrachtungen eine entscheidende Rolle, und dies hat Auswirkungen wie z. B. die Suprafluidität des sehr tief gekühlten Heliums und die Bose-Einstein-Kondensation – Phänomene, die auf der Basis der klassischen Mechanik nicht verstanden werden können.

Praktische Bedeutung der Thermodynamik

Die Thermodynamik ist eine physikalische Theorie mit enorm großer praktischer Bedeutung. Ihre Entwicklung war von Anfang an häufig motiviert durch das Bemühen, die Funktion vor allem von Wärmekraftmaschinen (z. B. Dampfmaschinen) genauer zu verstehen, um diese dann vor allem mit Blick auf ihre Energieeffizienz und Leistung optimieren zu können. Es gab also schon immer eine enge Verbindung mit den Ingenieurswissenschaften, die thermodynamischen Untersuchungen motivieren und von ihnen profitieren.

Hilfreich ist es beispielweise, gewisse prinzipielle Begrenzungen zu erkennen, die durch keine Art von Technik überwunden werden können. Insbesondere gelangte man zur Erkenntnis, dass ein sogenanntes Perpetuum Mobile erster Art (mit Verletzung der Energieerhaltung) oder auch zweiter Art (mit Entropievernichtung) prinzipiell unmöglich ist, mit welcher technischen Methode auch immer. Dies verhinderte zwar bis heute nicht immer wieder unternommene Versuche, diese physikalischen Grenzen doch irgendwie zu überwinden, etwa durch Bau eines Perpetuum Mobile (was freilich nie gelang). Jedoch unterstützte die Thermodynamik Generationen von Ingenieuren mit hilfreichen und zuverlässigen Leitlinien. Beispielsweise darf man davon ausgehen, dass eine Wärmekraftmaschine, deren Wirkungsgrad nur wenig unter dem sogenannten Carnot-Wirkungsgrad liegt, nur noch wenig Verbesserungspotenzial im Hinblick auf ihre Energieeffizienz aufweist, soweit sich die von ihr genutzte Temperaturdifferenz nicht ausweiten lässt. Andererseits deutet die Vermehrung von Entropie in einem dissipativen Prozess häufig darauf hin, dass dort irreversible Vorgänge geschehen, die direkt oder indirekt die Energieeffizienz der gesamten Maschine oder ihrer Verwendung einschränken. Durch solche fundamentalen Erkenntnisse ist die Thermodynamik enorm nützlich beispielsweise bei der Entwicklung möglichst effizienter und leistungsfähiger Kraftwerke und Verbrennungsmotoren, aber auch Kältemaschinen und Klimaanlagen.

Die klassische Thermodynamik stößt oft an Grenzen, wo Prozesse weitab vom thermodynamischen Gleichgewicht stattfinden. Hier wird oft eine weitergehende Physik des Nichtgleichgewichts benötigt, die auch als Nichtgleichgewichtsthermodynamik bezeichnet wird. Zunehmend gewinnen auch numerische Modelle an Bedeutung, die nur mithilfe moderner Computer effektiv verwendet werden können. Sie erlauben beispielsweise eine sehr viel detailliertere Beschreibung der Vorgänge im Brennraum eines Verbrennungsmotors unter Berücksichtigung chemischer Inhomogenitäten, Flammenfronten, Druckwellen, etc. Moderne Verfahren wie beispielsweise die Schichtladung in einem Magermotor lassen sich nur mit solchen aufwendigen Methoden optimieren; die Instrumente der klassischen Thermodynamik reichen hierfür nicht mehr aus.

Literatur

[1]Herbert Windisch, Thermodynamik, De Gruyter, 6. Auflage, 2017
[2]Blog-Artikel: Exergie betrachten – ein Schlüssel zum thermodynamisch optimierten Heizen

Siehe auch: Wärme, Temperatur, Druck, mechanische Energie, Arbeit, Entropie, Wärmekraftmaschine, Energieeffizienz, Carnot-Wirkungsgrad, Clausius-Rankine-Kreisprozess, Hauptsätze der Thermodynamik, Energieerhaltung, Perpetuum Mobile

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