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Urananreicherung

Definition: die Gewinnung von Uran mit einem erhöhten Anteil des spaltbaren Isotops Uran 235

Englisch: uranium enrichment

Kategorie: Kernenergie

Autor:

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Ursprüngliche Erstellung: 15.05.2011; letzte Änderung: 20.08.2023

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Natururan ist ein Gemisch verschiedener Isotope, d. h. es enthält Uran-Atomkerne mit einer unterschiedlichen Anzahl von Neutronen. Diese verursachen einerseits nur geringfügige Unterschiede der Atommassen, andererseits aber wesentliche Unterschiede der kernphysikalischen Eigenschaften. Insbesondere führt der Beschuss auch mit langsamen Neutronen beim Isotop Uran 235 (235U) leicht zur Kernspaltung, d. h. zum Zerfall in zwei leichtere Atomkerne (nebst Neutronen und Antineutrinos) und zur Freisetzung einer relativ großen Energiemenge. Das Isotop Uran 238 dagegen ist nicht ohne Weiteres spaltbar; es lässt sich allerdings durch Neutronenbeschuss in das leicht spaltbare Plutonium 239 umwandeln.

Natururan besteht zum Großteil (ca. 99,3 %) aus dem Isotop Uran 238 (238U) und nur zu ca. 0,7 % aus dem leicht spaltbaren Uran 235. Deswegen ist es mit Natururan relativ schwierig, die sogenannte kritische Masse zu erreichen, die zur Erzielung einer nuklearen Kettenreaktion mit hoher Leistungsdichte notwendig ist. Die meisten Kernreaktoren, insbesondere auch die weit verbreiteten Leichtwasserreaktoren, benötigen daher sogenanntes angereichertes Uran, bei welchem der Gehalt an Uran 235 erhöht ist. Typischerweise wird für große Reaktoren, wie sie für die Energiegewinnung üblich sind, ein 235U-Gehalt (Anreicherungsgrad) von mehreren Prozent benötigt. Für kleine Reaktoren, beispielsweise für Forschungsreaktoren, wird oft ein wesentlich höherer Anregungsgrad von z. B. 20 % oder mehr benötigt, um die kritische Masse mit einem kleineren Reaktorkern erreichen zu können. Für Atombomben (Kernspaltungsbomben), die auf Uran (und nicht auf Plutonium) basieren, wird noch wesentlich höher angereichertes Uran benötigt, meist mit mindestens 85 % Uran 235.

Kernbrennstoffe mit erhöhtem 235U-Gehalt und entsprechend verminderter kritischer Masse müssen durch Urananreicherung aus dem Natururan gewonnen werden. Hierfür gibt es mehrere, allesamt aufwendige Verfahren (siehe unten). Die grundlegende Schwierigkeit besteht darin, dass sich 235U und 238U chemisch gar nicht unterscheiden, sondern nur durch ihre geringfügig unterschiedliche Masse bzw. Dichte.

Die Anforderungen an Anreicherungsanlagen für den Betrieb von Kernreaktoren bzw. für den Bau von Atomwaffen sind insofern unterschiedlich, dass im ersten Fall meist relativ gering angereichertes Uran genügt, dafür aber wesentlich größere Mengen benötigt werden. Trotzdem unterscheiden sich Anlagen für beide Zwecke nicht grundlegend, und eine Anlage für ursprünglich zivile Zwecke lässt sich heimlich für ein Atomwaffenprogramm umrüsten, wenn dies nicht durch ständige Kontrollen unterbunden wird. Das Vertrauen in die Wirksamkeit solcher Kontrollen ist begrenzt, weswegen insbesondere die Anlagen zur Urananreicherung im Iran mit großem Misstrauen betrachtet werden. Dies gilt insbesondere für höher angereichertes Uran mit z. B. 20 % 235U, da es relativ einfach ist, hieraus dann noch höhere Anreicherungsgrade für Atombomben zu gewinnen.

Forschungsreaktoren mit ihrem Bedarf für höher angereichertes Uran können als Deckmantel für solche Aktivitäten eingesetzt werden. Sie könnten oft zwar auch für den Betrieb mit niedriger angereichertem Uran ausgelegt werden, aber dann müssten wesentliche Nachteile für die Anwendung und/oder bei den Kosten in Kauf genommen werden.

In seltenen Fällen benötigen auch größere Reaktoren hoch angereichertes Uran; ein Beispiel war der Kugelhaufen-Brutreaktor THTR-300 in Hamm-Uentrop, der 93 % Anreicherung verlangte.

Die bei Weitem größten Anreicherungskapazitäten bestehen in den USA, in Russland und Frankreich. Mehrere andere Länder verfügt über deutlich kleinere Kapazitäten, die jedoch alle auch für den Bau von Atombomben geeignet sind bzw. wären.

Vor allem wegen des meist sehr hohen Energieaufwands der Urananreicherung (siehe unten) steckt im angereicherten Uran eine wesentliche Menge grauer Energie, die auch mit klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen verbunden ist – wenn auch mit deutlich geringeren Emissionen pro im Kernkraftwerk erzeugter Kilowattstunde als bei fossil befeuerten Kraftwerken.

Methoden zur Urananreicherung

Es gibt mehrere Methoden zur Anreicherung von Uran, die sich in diversen technischen Schwierigkeiten und in ihrem Energieverbrauch erheblich unterscheiden. Sie nutzen direkt oder indirekt die geringfügigen Massenunterschiede zwischen den verschiedenen Uranisotopen. Chemische Verfahren, wie sie zur Trennung verschiedener Elemente eingesetzt werden können, kommen hier nicht in Frage, da sich die verschiedenen Uran-Isotope chemisch praktisch identisch verhalten.

Die wichtigsten Methoden der Anreicherung werden im Folgenden kurz beschrieben:

  • Bei der Gasdiffusionsmethode wird ausgenutzt, dass Moleküle des Gases Uranhexafluorid (UF6), die das leichtere Uran 235 enthalten, ein wenig leichter durch eine poröse Membran diffundieren können als diejenigen mit Uran 238. Allerdings ist dieser Unterschied minimal, so dass diese Diffusion sehr oft durchgeführt werden muss, bis eine wesentliche Anreicherung stattgefunden hat. Das Verfahren ist sehr energieaufwendig, aber es ist heute immer noch das meist genutzte Verfahren, weil es technisch am einfachsten realisierbar ist.
  • Beim Gaszentrifugenverfahren nutzt man (zumindest in der ursprünglichen Version) den Effekt, dass bei Uranhexafluorid in einer sehr schnell drehenden Zentrifuge die Konzentration der Moleküle mit dem leichteren Uran 235 nahe der Achse etwas höher ist als in den äußeren Bereichen. Ein etwas effizienteres Verfahren nutzt zusätzlich eine durch Temperaturunterschiede bewirkte Umlaufströmung. Wiederum ist eine einzelne Zentrifuge nicht ausreichend; man benötigt große Kaskaden von Zentrifugen. Das Zentrifugenverfahren ist weniger energieaufwendig als das Diffusionsverfahren, ist aber technisch anspruchsvoller, da es nur dann effektiv arbeitet, wenn die Zentrifugen extrem schnell rotieren.
  • Das Trenndüsenverfahren beruht wie das Zentrifugenverfahren auf leicht unterschiedlichen Zentrifugalkräften verschiedener Uranisotope, wobei jedoch die Rotation in einer Düse und nicht in einer Zentrifuge erzeugt wird. Dieses Verfahren ist noch energieaufwendiger als das Diffusionsverfahren.
  • Bei der Laseranreicherung nutzt man den Umstand, dass die optischen Resonanzen von Uran-Atomen oder Uranhexafluorid-Molekülen ein wenig vom Isotop abhängen. Der Strahl eines Hochleistungslasers mit sehr genau abgestimmter optischer Frequenz kann somit bevorzugt eines der Isotope anregen und z. B. durch Ionisation oder Photodissoziation dessen Abtrennung ermöglichen. Dieser Prozess ist im Prinzip recht effizient, und es bestand deswegen sogar die Sorge, dass er die Urananreicherung durch Staaten, die zunächst unentdeckte Atomwaffenprogramme starten möchte, erleichtern könnte. Jedoch scheiterte die großtechnische Realisierung bisher an massiven technischen Problemen.

Als Produkt der Urananreicherung enthält man einen gewissen Anteil des angereicherten Urans sowie den Rest des eingesetzten Materials als abgereichertes Uran, also mit einem reduzierten Gehalt an 235U. Das abgereicherte Uran findet kaum mehr Verwendung; zum kleineren Teil wird es noch für das Erbrüten von Plutonium in Brutreaktoren genutzt oder auch für uranhaltige (sehr harte) panzerbrechende Munition. Es strahlt zwar noch schwächer als Natururan, ist aber trotzdem nicht harmlos, vor allem wenn es als Munition fein zerstäubt und später durch Einatmen oder über die Nahrung aufgenommen wird. Als Alphastrahler ist es radiologisch relevant, falls es in den Körper gelangt, und darüber hinaus ist Uran als Schwermetall chemisch sehr giftig.

Generell ist es nicht schwieriger, besonders hoch angereichertes und damit waffenfähiges Uran anstelle von niedrig angereichertem Uran zu gewinnen. Die gleiche Art von Anlagen kann hierfür eingesetzt werden, ggf. mit relativ geringfügigen Änderungen. Deswegen kann nur mit lückenlosen Kontrollen sichergestellt werden, dass eine Anreicherungsanlage nur für zivile Zwecke verwendet wird.

Siehe auch: Uran, Kernbrennstoff, Kernspaltung, Kernenergie

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