Verdunstungsemissionen
Definition: Emissionen von Schadstoffen, die durch Verdampfen entstehen
Englisch: evaporative emissions
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 13.09.2015; letzte Änderung: 27.08.2023
URL: https://www.energie-lexikon.info/verdunstungsemissionen.html
Der größte Teil der Emissionen (Freisetzungen) von Schadstoffen, die im Zusammenhang mit der Energieversorgung auftreten, betrifft Verbrennungsabgase, die entweder aus den verwendeten Brennstoffen stammen oder in Verbrennungsprozessen entstehen. Es gibt jedoch auch schädliche Emissionen, die durch das ungewollte Verdampfen z. B. von flüssigen Brennstoffen oder Kraftstoffen entstehen, die danach in die Atmosphäre entweichen. Solche Emissionen werden als Verdunstungsemissionen oder Verdampfungsemissionen bezeichnet. Hier geht es meistens um flüchtige Kohlenwasserstoffe (VOC = volatile organic compounds), deren Emissionen (und dadurch verursachten Immissionen) aus gesundheitlichen und ökologischen Gründen minimiert werden müssen.
Emissionen von Benzindämpfen
Die stärksten Verdunstungsemissionen entstehen naturgemäß bei der massenhaften Verwendung leicht flüchtiger Stoffe wie zum Beispiel Benzin. Die meisten mit einem Ottomotor angetriebenen Fahrzeuge verfügen über einen Benzintank, aus dem auf verschiedenen Wegen schädliche (zum Teil sogar krebserregende) Kohlenwasserstoffe in die Luft der Umgebung gelangen können:
- Wenn der Benzintank weitgehend leer geworden ist, ist all das Volumen oberhalb des flüssigen Benzins weitgehend mit Kraftstoffdämpfen gefüllt. Beim Betanken verdrängt der zugeführte flüssige Kraftstoff diese Dämpfe, wobei diese durch die Tanköffnung ins Freie entweichen können.
- Wenn ein stehendes Fahrzeug stark erwärmt wird, beispielsweise durch Sonneneinstrahlung, nimmt der Druck der Gase im Benzintank deutlich zu. Auch dabei können Benzindämpfe über die Tankentlüftung entweichen, soweit sie nicht beispielsweise durch einen Aktivkohlefilter im Fahrzeug daran gehindert werden.
Gesundheitlich besonders problematisch ist, dass beim Tanken in der Nähe stehenden Personen Schadstoffe wie das krebserregende Benzol einatmen können. Zusätzlich entstehen ökologische Probleme, beispielsweise durch den Beitrag der Kohlenwasserstoffe zur Bildung bodennahen Ozons, welches wiederum gesundheitsschädlich ist (vor allem die Atemwege betreffend), aber auch Pflanzen schädigt.
Absaugung von Kraftstoffdämpfen mit Zapfpistolen
Die Emissionen bei der Betankung lassen sich vermeiden, indem man eine Zapfpistole mit "Saugrüssel" verwendet, bei der die entweichenden Dämpfe abgesaugt, im Erdtank sicher gelagert und später wieder verwertet werden. Eine am Tankstutzen anliegende Manschette dichtet die Öffnung einigermaßen ab, und ein leichter Unterdruck, der vom Absaugsystem erzeugt wird, kann das Entweichen von Dämpfen dann weitestgehend verhindern. Volumenmäßig muss die abgesaugte Menge der Menge des zugeführten Kraftstoffs entsprechen. Die in einem Erdtank in der Tankstelle gelagerten Dämpfe können später von den Fahrzeugen, die Kraftstoff liefern, aufgenommen und zu einer Erdölraffinerie gebracht werden, wo sie gut wieder verwertet werden können. (Das Verfahren der "Gaspendelung" wird beim Erdtank genauso wie beim Tankfahrzeug eingesetzt.) Der entstehenden Einsparung wertvoller Rohstoffe steht freilich der technische Aufwand für die eingesetzten Gasrückführsysteme entgegen.
In Deutschland mussten bereits seit 1992 die Zapfsäulen an allen neuen Tankstellen mit diesen Saugrüsseln ausgerüstet werden, und größere Tankstellen mussten im Laufe einiger Jahre entsprechend nachgerüstet werden. Allerdings stellte sich in den folgenden Jahren heraus, dass die verwendeten Systeme vielfach nicht ordnungsgemäß funktionierten; es gab häufig Probleme beispielsweise mit ausgefallenen Pumpen, falsch eingestellten Fördermengen und undichten Schläuchen. Deswegen wurden später Vorschriften eingeführt, die eine bessere Kontrolle der Funktion dieser Anlagen ermöglichen. Leider scheinen solche Probleme bis heute noch weit verbreitet zu sein.
Maßnahmen in Fahrzeugen
Eine andere Methode zur Vermeidung von Verdampfungsemissionen ist die Ausstattung der Fahrzeuge mit Einrichtungen, die den größten Teil der Kraftstoffdämpfe auffangen, typischerweise in einem Aktivkohlefilter, der teilweise auch als Kohlekanister bezeichnet wird. Dies funktioniert besonders gut zur Verhinderung von Emissionen im Stand bei verschlossenen Tankdeckel. Beim Betanken des Fahrzeugs wird ein solches System nur dann wirklich effektiv, wenn die Tanköffnung mit einer geeigneten Zapfpistole möglichst gut abgedichtet wird, was aber meistens nicht der Fall ist. Außerdem wird hierfür ein Aktivkohlefilter mit deutlich höherer Aufnahmefähigkeit benötigt. Für in den USA zugelassene Fahrzeuge wird dies gefordert.
Der Aktivkohlefilter hat zwar nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit, kann aber während der Fahrt wieder regeneriert werden. Hierzu wird in der Regel unter Verwendung des vom Verbrennungsmotor erzeugten Unterdrucks frische Luft durch den Aktivkohlefilter gesaugt, der dabei die Benzindämpfe zum Teil wieder an diese Luft abgibt. So können diese Dämpfe im Motor genutzt werden. (Für den Fahrzeughalter kann pro Jahr durchaus eine Kraftstoffersparnis von einigen Litern auftreten.) Die Motorsteuerung muss natürlich sicherstellen, dass die zusätzliche Kraftstoffmenge bei der Dosierung korrekt berücksichtigt wird – etwa über die Steuerung mithilfe der Lambdasonde. Hierfür kann ein elektrisch gesteuertes Tankentlüftungsventil verwendet werden. Eine technische Herausforderung besteht darin, dass der größte Unterdruck im Leerlauf oder bei sehr geringer Last des Motors auftritt, genau dann aber der Kraftstoffbedarf am geringsten ist; dies erfordert eine entsprechend genaue Dosierung. Bei Fahrzeugen mit Hybridantrieb wird die Realisierung schwieriger, da dort Betriebsphasen mit Leerlauf oder geringer Last stark reduziert werden, bei höherer Last aber ein geringerer Unterdruck vom Motor zur Verfügung steht.
Es besteht die Gefahr, dass solche Tankentlüftungseinrichtungen durch Defekte (etwa Leckagen durch undichte Schläuche) oder Bedienungsfehler (fehlende Tankdeckel) ihre Funktion verlieren und dies womöglich für lange Zeit unentdeckt bleibt. Deswegen wurden diverse Diagnosesysteme entwickelt, die in die Onboard-Diagnose von Fahrzeugen integriert werden können. Leider ist der zusätzliche technische Aufwand hierfür erheblich; trotzdem werden solche Systeme bei neuen Fahrzeugen gefordert.
In der EU wird bei der Typprüfung neuer Fahrzeugtypen getestet, ob die Kohlenwasserstoff-Verdunstungsemissionen bei Fahrzeugstillstand unter definierten Bedingungen einen Grenzwert einhalten. Hierbei werden nicht nur Ausdünstungen von Kraftstoff berücksichtigt, sondern beispielsweise auch solche von Weichmachern aus Kunststoff- und Gummiteilen.
Weitere Bemerkungen
Natürlich können Verdunstungsemissionen nicht nur bei Fahrzeugen, sondern auch bei großen Tankanlagen auftreten. Dort ist deren Verhinderung allerdings oft allein schon aus Brandschutzgründen notwendig; schließlich entsteht eine Explosionsgefahr, wenn sich nennenswerte Mengen von Benzindämpfen in der Umgebung ausbreiten. Außerdem ist der vermeidbare Verlust wertvoller Rohstoffe unerwünscht. Bei Handhabung größerer Mengen von Kraftstoffen ist es freilich auch einfacher, mit einem verhältnismäßigen technischen Aufwand das Problem wirksam und sicher zu vermeiden.
Die Technik und die gesetzlichen Bestimmungen für Zweiräder und mobile Maschinen hinken wie üblich der Entwicklungen bei Autos stark hinterher. Allerdings gibt es auch dort inzwischen technische Maßnahmen, um Verdunstungsemissionen stark zu verringern.
Dieselkraftstoff ist bezüglich Verdampfungsemissionen weitaus weniger problematisch als praktisch alle Ottokraftstoffe, weil er einen sehr viel niedrigeren Dampfdruck aufweist. Erst bei erhöhten Temperaturen kommt es zu einer stärkeren Verdampfung.
Siehe auch: Kohlenwasserstoffe, Benzin, Benzol, Emissionen und Immissionen
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