Wärmewende
Definition: die Energiewende im Wärmesektor
Allgemeiner Begriff: Energiewende
Kategorien: Energieeffizienz, Energiepolitik, Grundbegriffe, Wärme und Kälte
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 07.09.2014; letzte Änderung: 20.08.2023
Der Begriff Wärmewende bezeichnet einen Teil der Energiewende. Ihre Durchführung würde bedeuten, dass die Versorgung mit Wärme für diverse Zwecke (beispielsweise für die Beheizung von Gebäuden und für industrielle Prozesse) nicht mehr wie bisher weitgehend mit fossilen Energieträgern durchgeführt wird, sondern mit erneuerbaren Energien. Außer dieser Substitution müsste es auch darum gehen, die Verschwendung von Wärme einzudämmen, da es nicht möglich ist beliebige Mengen erneuerbarer Energie bereitzustellen. Mit der Wärmewende – wie bei der Energiewende allgemein – würden die folgenden Ziele verfolgt:
- Die Klimagefahren, die durch den CO2-Ausstoß bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Heizöl oder Erdgas entstehen, würden reduziert. Eine Wärmewende ist also praktizierter Klimaschutz.
- Die Abhängigkeit von Lieferanten für fossile Energieträger würde ebenfalls verringert.
- In der Regel würde ein größerer Teil des für die Wärmeversorgung ausgegebenen Gelds in der eigenen Volkswirtschaft verbleiben, anstatt in ferne Länder abzufließen.
Die Wärmewende wäre ein sehr wesentlicher Teil der Energiewende, da ein großer Teil des Energieverbrauchs eines Landes durch die Erzeugung von Wärme entsteht. Beispielsweise verbrauchen die meisten Haushalte für die Beheizung des Gebäudes weitaus mehr Energie als für alle anderen Zwecke im Gebäude zusammen.
Bisher wurde allerdings bei der deutschen Energiewende fast nur der Strombereich angegangen, obwohl dieser nur rund 20 Prozent des Endenergieverbrauchs ausmacht. Allein schon das Erdgas, welches von Endverbrauchern zu einem großen Teil für die Erzeugung von Wärme eingesetzt wird, macht über 25 Prozent aus. Hinzu kommen Anteile anderer Energieträger wie Heizöl und Fernwärme. Insgesamt macht die Wärme rund die Hälfte des Endenergieverbrauchs aus. Schon aus rein quantitativer Sicht liegt eine echte Energiewende nicht vor (sondern höchstens eine Stromwende), sofern entschiedene Maßnahmen für eine Wärmewende nicht dazugehören. Dies ist in Deutschland der Fall: Zwar wurde der Wärmeverbrauch neuer Gebäude durch energetische Vorschriften stark verringert, jedoch ist der gesamte Wärmeverbrauch kaum gesunken, da alte Gebäude weiterhin viel Energie verbrauchen und die energetische Sanierung von Gebäuden bisher nur einen kleinen Teil der alten Gebäude erreicht hat.
Es gibt vielfältige Verbindungen zwischen dem Stromsektor und dem Wärmesektor, die in Zukunft teilweise noch wichtiger werden könnten (→ Sektorkopplung). Beispielsweise können im Rahmen der Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Wärme gemeinsam erzeugt werden, wobei die Energieeffizienz meist sehr hoch ist. Ebenfalls ist es möglich, Wärme mithilfe elektrischer Energie zu erzeugen. Der direkte Weg über eine Elektroheizung ist freilich sehr wenig effizient; durch den Einsatz von Wärmepumpen lässt sich ein Vielfaches der Wärmemenge erzeugen, soweit es sich um Niedertemperaturwärme handelt, wie sie beispielsweise für Heizungszwecke benötigt wird. Die gezielte Kopplung der Strom und Wärmeversorgung könnte auch dazu beitragen, das Problem der fluktuierenden Einspeisung erneuerbarer elektrischer Energie zu lösen. Beispielsweise könnten in Zeiten mit Stromüberschüssen Wärmepumpen vermehrt eingesetzt werden, während Anlagen für die Kraft-Wärme-Kopplung verstärkt in Zeiten knapper elektrische Energie betrieben würden. Hierbei kann man sich auch zunutze machen, dass sich Wärme zumindest über kurze Zeiträume deutlich kostengünstiger speichern lässt als elektrische Energie. Siehe hierzu auch den Artikel über die thermische Bauteilaktivierung.
Mögliche Maßnahmen für die Wärmewende
Substitution
Einer der Ansätze für eine Wärmewende wäre die Substitution fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien. Hierfür gibt es verschiedenste Möglichkeiten:
- Niedertemperaturwärme kann direkt durch Sonnenkollektoren erzeugt werden (→ Solarthermie). Da die Sonnenenergie aber nicht dem Verbrauch entsprechend anfällt, ist in aller Regel die Verwendung eines Wärmespeichers notwendig (→ Solarspeicher, evtl. auch als saisonaler Speicher).
- Es gibt erneuerbare Brennstoffe wie z. B. Holz und Biogas.
- Wärme kann auch mithilfe von Elektrowärmepumpen erzeugt werden, und diese können mit Strom aus erneuerbaren Energien (→ Ökostrom) betrieben werden.
- Wenn ein Teil der benötigten Wärmemenge mithilfe von fossilen Energieträgern erzeugt wird, kann mit diesen auch Hochtemperaturwärme zum Antrieb von Absorptionswärmepumpen erzeugt werden. Damit können zusätzliche Wärmequellen erschlossen werden, oder man erhöht die Energieausbeute der solarthermischen Anlagen.
- Im Falle von Stromüberschüssen kann unter Umständen die direkte Erzeugung von Elektrowärme sinnvoll sein (→ Power to Heat).
In vielen Fällen ist es auch möglich, bisher ungenutzte Abwärme z. B. aus industriellen Betrieben für Heizungszwecke zu nutzen.
Erleichtert wird der breite Einsatz von Solarthermie durch Wärmenetze (→ Nahwärme und Fernwärme). Wenn nämlich insgesamt relativ hohe Energiemengen umgesetzt werden, ist die Realisierung großer Solarthermieanlagen eine besonders wirtschaftliche Option. Hier ist auch der Einsatz saisonaler Speicher möglich, um den Anteil der Solarthermie an der jährlichen Wärmeerzeugung erheblich zu steigern (z. B. auf 50 %). Vor allem in Dänemark, wo bereits über die Hälfte der Gebäude mit Fern- oder Nahwärme versorgt wird, haben etliche Projekte diese Möglichkeit bereits demonstriert – häufig mit Kosten der Wärmeerzeugung von z. B. 3 bis 4 ct/kWh, die weit unter denen für Heizöl liegen.
Allein durch die Substitution fossiler Energieträger mit erneuerbaren Energiequellen und Abwärme wird es allerdings kaum möglich sein, den riesigen Energieverbrauch unserer Gesellschaften zu decken. Erneuerbare Energien sind nämlich zwar unerschöpflich, aber nicht in beliebigem Umfang pro Jahr verfügbar. Außerdem sind die Kosten pro gelieferter Kilowattstunde wesentlich höher als bei Verwendung billigen Heizöls. Trotz der inzwischen massiv angestiegenen Ölpreise ist es für erneuerbare Energien oft nicht einfach, mit fossilen Energieträgern zu konkurrieren, zumal deren Klimagefahren und andere Nebeneffekte wie Luftverschmutzung und politische Abhängigkeiten in ihren Preisen nicht oder nur zum kleinen Teil berücksichtigt sind.
Der heutige sehr große Wärmeverbrauch macht also eine weitgehende Substitution mit erneuerbaren Energien schwierig. Er ist entstanden in Zeiten mit sehr niedrigen Preisen für fossile Energieträger wie Heizöl; ein sehr verschwenderischer Umgang mit Wärme ist dadurch erst möglich und dann auch üblich geworden. Beispielsweise wurden massenhaft Gebäude praktisch ohne Wärmedämmung gebaut, und mithilfe von Zentralheizungssystemen wurden diese konsequent und flächendeckend beheizt, während in früheren Zeiten die Beheizung stärker auf die wichtigsten Räume konzentriert wurde. Gleichzeitig sind stark erhöhte Ansprüche z. B. an die beheizte Wohnfläche pro Bewohner entstanden, die kaum wieder zurückgedrängt werden können.
Einsparung von Wärme
Ein wesentlicher Teil der Wärmeerzeugung z. B. in Deutschland dient der Beheizung von Gebäuden. Hier werden Transmissionswärmeverluste und Lüftungsverluste, soweit sie nicht zum Beispiel durch solare Gewinne gedeckt werden, durch Zufuhr von Heizwärme ausgeglichen. Der Heizwärmebedarf kann also effektiv reduziert werden, indem man die Transmissions- und Lüftungsverluste verringert. In erster Linie ist dies möglich durch eine stark verbesserte Wärmedämmung, beispielsweise in Form von Wärmedämmverbundsystemen. Zusätzlich kann eine intelligentere Regelung der Wärmezufuhr und vor allem einen optimiertes Benutzerverhalten hilfreich sein. Beispielsweise können die Lüftungsverluste durch eine optimierte Fensterlüftung in Form der gezielten Stoßlüftung reduziert werden, ohne dass die notwendige Belüftung der Gebäude vernachlässigt wird.
Moderne Gebäude weisen bereits einen massiv reduzierten Wärmeverbrauch auf, vor allem weil entsprechende staatliche Vorschriften dies erzwungen haben. Ein großes Problem besteht allerdings darin, dass noch viele ältere Gebäude mit viel höherem Wärmebedarf existieren, die größtenteils noch für Jahrzehnte genutzt werden dürften. Auch deren Wärmebedarf kann zwar häufig durch eine energetische Sanierung massiv reduziert werden, jedoch erfordern solche Sanierungen viel Kapital und sind oft auch nicht wirtschaftlich durchführbar – vor allem wenn nicht ohnehin anders motivierte Sanierungsmaßnahmen notwendig sind. Selbst wo energetische Sanierungen wirtschaftlich klar sinnvoll wären, werden sie oft nicht durchgeführt – beispielsweise aufgrund mangelnden Wissens, wegen eines kurzfristigen Planungshorizonts von Besitzern oder wegen Bestimmungen zum Denkmalschutz. Aus solchen Gründen erfasst die energetische Sanierung in Deutschland zur Zeit nur rund ein Prozent des Bestands pro Jahr.
Selbst die Erneuerung alter Heizungsanlagen auch ohne Umstieg auf erneuerbare Energien kann den in der Endenergieverbrauch oft sehr deutlich reduzieren. Leider unterbleibt die Erneuerung von Heizungsanlagen häufig aber selbst dann, wenn die dafür nötige Investition innerhalb von weniger als zehn Jahren amortisiert werden könnte. Dies liegt wiederum oft an mangelndem Wissen; beispielsweise täuscht ein hoher Volllast-Wirkungsgrad eines Heizkessels eine hohe Energieeffizienz vor, selbst wenn der Energieverbrauch aufgrund hoher Bereitschaftsverluste viel höher ist als nötig.
Eine geeignete Energiepolitik kann manche der genannten Hindernisse für die Wärmewende beseitigen oder vermindern:
- Informationsdefizite können gezielt verringert werden. Eines der Instrumente hierfür ist die Bezuschussung von Energieberatungen. Häufig werden nämlich solche Beratungen mangels Bewusstsein für bestehende Einsparpotenziale gar nicht erst wahrgenommen, solange sie durch Subventionierungen nicht massiv verbilligt werden. Hilfreich ist die inzwischen geforderte Kennzeichnung der energetischen Qualität von Gebäuden bei Verkauf oder Vermietung; hierdurch können alle Beteiligte bestehende Probleme erkennen, sodass sie auch eher angegangen werden. Weitere Möglichkeiten bestehen in der Verbreitung von aufklärenden Publikationen und in Verordnungen, die die Weiterbildung von Handwerkern, Architekten und anderen Fachkräften im energetischen Bereich verlangen.
- Die bisher sehr niedrige energetische Sanierungsrate des Altbaubestands könnte mit diversen Maßnahmen stark erhöht werden, beispielsweise durch Gewähren erhöhter steuerlicher Abschreibungen. (Bisher gibt der Staat für Sanierungen in der Regel eine finanzielle Unterstützung nur in einem Umfang, der weitaus geringer ist als die Mehreinnahmen des Staates durch Steuern und Abgaben.)
- Der Ersatz alter und völlig ineffizienter Heizungsanlagen müsste durch entsprechende Bestimmungen forciert werden. Die heute geltenden Bestimmungen weisen eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen auf, durch die sie nur in seltenen Fällen greifen. Dasselbe gilt für das Verbot von Elektroheizungen.
- Wenn neue Wohngebiete erschlossen werden, können diese von Anfang an mit Nahwärmenetzen ausgestattet werden, die die Deckung des Wärmebedarfs mit erneuerbaren Energien stark erleichtern. Beispielsweise können dann große Holzfeuerungen eingesetzt werden, die die Nutzung des Holzes mit viel geringeren Schadstoffemissionen und auch geringeren Kosten als bei der zentralen Feuerungen ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist auch ein Anschlusszwang für die neuen Gebäude möglich, um die zu schaffende Infrastruktur wirtschaftlich zu machen.
- Besonders wichtig sind Maßnahmen, die eine Internalisierung von bisher externen Kosten ermöglichen. In vielen Fällen würde der Einsatz erneuerbarer Energien betriebswirtschaftlich rentabel, sobald die indirekte Subventionierung fossiler Energieträger entfallen würde, die aus der Übernahme externer Kosten durch die Allgemeinheit entsteht.
Politische Maßnahmen
Da Wärme nicht einfach über große Entfernungen transportiert werden kann, sind die Kommunen für die Realisierung der Wärmewende besonders wichtig. Sie können beispielsweise Nahwärmenetze betreiben und danach streben, die Wärmeerzeugung zunehmend auf Solarthermie umzustellen. Sie können auch große saisonale Speicher realisieren, um größere Solarthermie-Kapazitäten einzubinden und damit einen hohen solaren Anteil an der Wärmeerzeugung zu erzielen.
Wichtig ist, dass eine umfassende kommunale Wärmeplanung entsprechende Potenziale möglichst frühzeitig identifiziert, beispielsweise vor der Erschließung neuer Wohngebiete und Gewerbegebiete. Eine solche Verzahnung mit der allgemeinen Stadtplanung ist eine Voraussetzung für effektive und kosteneffiziente Lösungen. Auch eine vorausschauende Sicherung von Flächen für solarthermische Anlagen sollte Teil solcher Planungen sein.
Kommunen können außerdem einen Sanierungsfahrplan für öffentliche Gebäude festlegen und ausführen. Erfolgreich durchgeführte Projekte dieser Art können dann auch als Vorbild für Projekte privater Akteure dienen.
Da solche Überlegungen bisher aber oft unterbleiben, sollten entsprechende Grundsätze festgelegt werden, die dann das Vorgehen im Einzelfall systematischer machen. Beispielsweise können Kommunen das Ziel einer klimaverträglichen Wärmeerzeugung für kommunale Betriebe als öffentlichen Zweck formulieren und festlegen, mit welchen Maßnahmen dieses Ziel konkret verfolgt werden soll.
Die deutschen Bundesländer hätten die Möglichkeit, mit geeigneten gesetzlichen Regelungen zu bewirken, dass die vorhandenen Potenziale in den Kommunen besser genutzt werden. Auf Bundesebene besteht keine direkte Möglichkeit hierfür; jedoch könnten die Länder vom Bund zur Aufstellung von regionalen bzw. lokalen Wärmeversorgungsplänen verpflichtet werden. (Auf EU-Ebene wurde von Dänemark, das in dieser Richtung bereits große Fortschritte erzielt hat, eine Pflicht für die Aufstellung nationaler Wärmepläne durch die Mitgliedstaaten vorgeschlagen, was jedoch von der deutschen Bundesregierung bislang nicht aufgegriffen wurde.) Alternativ oder ergänzend könnte ein umfassendes Bundesgesetz Grundregeln für eine möglichst klimaschonende Wärmeversorgung definieren – auch durch Förderung der Sektorkopplung, beispielsweise durch verbesserte Bedingungen für Wärmepumpenheizungen. Solange aber die Kommunen nicht gesetzlich verpflichtet sind, zu diesem Ziel beizutragen, wird die Wärmewende kaum in Gang kommen. Dem von der deutschen Bundesregierung gesetzten Ziel, den Gebäudebestand bis 2050 nahezu klimaneutral mit Energie zu versorgen, wird man erst mit Maßnahmen in dieser Richtung deutlich näher kommen.
Siehe auch: Energiepolitik, Energiewende, Wärme, Endenergie, Klimaschutz, Sektorkopplung
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