Wasserstoffantrieb – die Lösung für unbegrenzte Mobilität?
(Dieser Artikel ist in ähnlicher Form erschienen in Energie & Umwelt 1/2007, dem Magazin der Schweizerischen Energiestiftung. Er ist schon recht alt, jedoch scheint sich in der Zwischenzeit nichts geändert zu haben, was seine Aussagen in Frage stellen könnte.)
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wasserstoff als Energieträger für Autos hat einige faszinierende Eigenschaften. Leider kann aber auch eine Wasserstoff-Strategie auf absehbare Zeit keine Lösung für die Energie- und Umweltproblematik des Individualverkehrs bieten.
Angesichts der Probleme mit Schadstoffen und Energieverbrauch von Benzin- und Dieselantrieben ist die Vorstellung von mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeugen faszinierend. Die Städte könnten buchstäblich aufatmen, wenn aus den Auspuffrohren nur noch Wasserdampf käme. Für das Klima könnte ein CO2-freies Autofahren ein entscheidender Rettungsbeitrag sein, und die Abhängigkeit vom Erdöl aufzuheben, wäre hochwillkommen. Nachdem bereits mehrere Autohersteller mit Wasserstoffantrieben experimentieren, sehen manche bereits eine rosige Energiezukunft anbrechen. Solch weit gehende Erwartungen verdienen allerdings eine eingehendere Prüfung.
Wasserstoff im Auto
Die kostengünstigste Möglichkeit ist die Umstellung heutiger Benzinmotoren auf Wasserstoff. Verbrennungsmotoren haben aber besonders im Teillastbetrieb, der beim Autoantrieb ja überwiegend auftritt, einen unbefriedigenden Wirkungsgrad. Wenn von zukünftig vielleicht möglichen Wirkungsgraden von 50 % gesprochen wird, ist hiermit Volllast-Betrieb gemeint; der effektive Wirkungsgrad im Fahrbetrieb wird sehr viel geringer sein. Eher noch technisch lösbar ist das Problem, dass außer Wasserdampf auch giftige Stickoxide entstehen.
Höhere Wirkungsgrade -– insbesondere im Teillastbereich -– und gleichzeitig einen lautlosen Betrieb ermöglicht eine Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff elektrischen Strom für einen Elektromotor erzeugt. Eine starke Gewichtsreduktion, eine längere Lebensdauer und ein geringerer Preis als für die bisher entwickelten Brennstoffzellen wäre jedoch nötig, und dies setzt weitere Durchbrüche der Forschung und Entwicklung voraus.
Das Mitführen einer ausreichenden Menge von Wasserstoff ist die nächste Herausforderung. Hier zeigen sich erhebliche Nachteile im Vergleich zu flüssigen Energieträgern. Während der Wasserstoff selbst recht leicht ist, sind die Speicher schwer und voluminös. Eine Möglichkeit sind dickwandige Druckflaschen für die Speicherung bei sehr hohem Druck. Weniger Druck benötigen die noch schwereren Metallhydridspeicher oder aufwändige Kryospeicher.
Was die Sicherheit angeht, kann ein Wasserstofftank einem herkömmlichen Benzintank durchaus überlegen sein, weil eine nach oben gehende Wasserstoff-Stichflamme eher weniger gefährlich ist also z. B. unter dem Auto brennendes ausgelaufenes Benzin.
Die Betankungstechnik muss zur Speichertechnologie passen. Der flächendeckende Aufbau der entsprechenden Infrastruktur wäre leider eine sehr teure Aufgabe.
… und woher kommt der Wasserstoff?
Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern ein sekundärer Träger für Energie aus anderen Quellen. Im Prinzip gibt es sehr vielfältige Optionen:
- Derzeit wird Wasserstoff meistens durch Reformierung von Erdgas gewonnen. Das ist relativ preisgünstig, aber man bleibt natürlich bei einem fossilen Energieträger. Immerhin liegen die CO2-Emissionen eher etwas tiefer als bei einem Erdgasfahrzeug (mit Ottomotor): beispielsweise bei einem Kleinwagen, der mit Elektroantrieb rund 15 kWh pro 100 km verbraucht, bei rund 60 bis 80 g/km. Etwaige klimaschädliche Wirkungen durch Methan-Lecks bei Förderung und Transport das Erdgases sind damit allerdings nicht berücksichtigt. Erheblich besser werden könnte die CO2-Bilanz zukünftig durch die Verwendung von CO2-Abscheidung und Speicherung bei der Reformierung.
- Durch Elektrolyse lässt sich Wasserstoff aus Wasser und elektrischer Energie gewinnen. Letztere sollte dann auf umweltverträgliche Weise (als Ökostrom) zu tragbaren Kosten in ausreichender Menge bereitgestellt werden, um eine klimafreundliche Lösung zu erhalten. Im Prinzip ließen sich auch gezielt zeitweise anfallende Überschüsse von Windstrom nutzen, da sich der erzeugte Wasserstoff gut speichern lässt, also nicht unbedingt zeitgleich mit dem Verbrauch erzeugt werden muss. Gleichzeitig wäre das auch ein Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze. Allerdings ist die Amortisation eines teuren Elektrolyseurs schwierig, wenn dieser nur relativ wenige Stunden pro Jahr erreicht, in denen Stromüberschüsse zur Verfügung stehen. Außerdem verliert man bei der Elektrolyse rund 30 % der Energie – bei Nutzung von Überschüssen tendenziell sogar etwas mehr – und später in der Brennstoffzelle noch wesentlich mehr.
Instruktiv ist es, die CO2-Reduktion zu betrachten, die der Einsatz von z. B. einer Megawattstunde Windstrom in zwei Szenarien ermöglicht:
- Im einen Fall erzeugt man mit dem Strom Wasserstoff, fährt damit Wasserstoff-Autos und spart so Benzin ein. Leider gehen deutlich über 50 % der Energie bei der Elektrolyse und in der Brennstoffzelle verloren –- bei Verwendung eines Verbrennungsmotors noch viel mehr – und Kompression oder Verflüssigung verschlingen weitere Energie.
- Im zweiten Szenario ersetzt der Windstrom einfach die entsprechende Menge Strom aus Kohlekraftwerken, während die Autos nach wie vor mit Benzin fahren. Die so erreichte CO2-Reduktion ist meist sogar deutlich größer als mit Wasserstoff-Fahrzeugen. Und dies, ohne das Investitionen in teure Brennstoffzellen und eine Wasserstoff-Infrastruktur nötig sind. Also ist dieser Ansatz zumindest so lange unsinnig, wie noch Kohlekraftwerke laufen.
Ernüchternd ist außerdem der Vergleich mit einem batteriebasierten Elektroauto. Hier liegt der Wirkungsgrad, gemessen vom Weg des Windstroms am Kraftwerk bis zum Antriebsmotor des Autos, in der Größenordnung von 75 %. Mit Wasserstoff dagegen dürfte man in der Regel deutlich unterhalb von 30 % liegen. Das bedeutet, dass man für die gleiche Fahrstrecke mehr als die doppelte Menge von Windstrom benötigt. Und dies mit einer teuren Technologie, für die man erst noch eine Infrastruktur schaffen müsste.
Auf der anderen Seite erhält man mit der Wasserstoff-Technologie eine bessere Möglichkeit der Energiespeicherung und auch des Transports. Beispielsweise könnte Wasserstoff an sonnengünstigen Standorten in Spanien erzeugt und über Pipelines nach Mitteleuropa befördert werden. Der Nachteil des größeren Stromaufwands würde dann unter Umständen durch die günstigere Stromerzeugung (auf billiger verfügbaren Flächen) mehr als kompliziert, trotz des zusätzlichen Transportaufwands.
Wegen der hohen Energieverluste der strombasierten Wasserstofftechnologie sprechen böse Zungen von einer neuen Maschinerie zur Energievernichtung. Immerhin würde aber mit Erdöl ein Rohstoff ersetzt, der knapper ist als Kohle. Jedoch könnte man dafür auch auf verbesserte aufladbare Batterien setzen. Anders kann es für Verkehrsmittel aussehen, für die eine Lösung mit Batterien nicht infrage kommt – etwa für die meisten Schiffe und Flugzeuge. Und die mit Wasserstoff mögliche Energiespeicherung kann natürlich ein wesentlicher Vorteil sein.
In einer fernen Zukunft könnte die Lage wiederum anders aussehen, falls wir eine potente, umweltfreundliche und kostengünstige Quelle von Elektrizität finden. Manche träumen hier von neuartigen Kernspaltungs- oder gar Kernfusionsreaktoren, wobei aber die einen an Sicherheitsproblemen (u. a. Endlagerung und Proliferation von atomwaffenfähigem Material) kranken und gleichzeitig immer teurer werden, während die anderen noch viel teurer werden, falls sie überhaupt technisch machbar sind. Andererseits ist es ziemlich ambitiös, mit Windstrom aus großen Offshore-Anlagen erst Kohle und Kernenergie zu ersetzen und dann noch in eine Wasserstoffwirtschaft einzusteigen.
Die Lage würde ebenfalls etwas anders aussehen, wenn Verfahren der Biomassevergasung praxistauglicher würden. Wasserstoff könnte dann relativ effizient aus Biomasse (z. B. Holz oder aus diversen Abfällen) hergestellt werden, und die Nachteile durch die Elektrolyse würden vermieden. Allerdings ist das Potenzial für Biomasse wegen der geringen Flächenproduktivität begrenzt – erheblich kleiner jedenfalls als das der Photovoltaik.
Denkbar ist ferner, dass wir in 50 Jahren auch ganz neue Technologien haben werden, um Elektrizität zu erzeugen, oder aber direkt Wasserstoff z. B. aus Sonnenenergie, etwa mit Hilfe künstlicher Photosynthese.
Fazit
Es ist nicht auszuschließen, dass Wasserstoff in Zukunft viele Autos auf nachhaltige Weise antreiben wird. Jedoch ist dies momentan sehr unsicher und deswegen jedenfalls kein Ersatz für das Streben nach Energieeffizienz und einer nachhaltigen Mobilität. Diverse Prestigeprojekte von Autoherstellern zielen womöglich weniger auf eine echte Problemlösung innerhalb nützlicher Frist ab, sondern eher auf die Einlullung der Bevölkerung, die sich mit technischen Wunschträumen beschäftigen soll, anstatt echte Problemlösungen heute zu verlangen. Und diese liegen wohl eher in hocheffizienten Fahrzeugen und vor allem einem nicht weiter ausufernden Individualverkehr.
Siehe auch: Wasserstoff, Wasserstoffwirtschaft, Verbrennungsmotor, Elektrolyse, Brennstoffzelle, Akkumulator, Energiespeicher, Elektromobilität
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