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induktive Energieübertragung

Definition: die Übertragung elektrischer Energie durch Induktion mit einem wechselnden Magnetfeld

Allgemeiner Begriff: kontaktlose Energieübertragung

Spezifischerer Begriff: inductive charging

Gegenbegriff: conductive energy transmission

Englisch: inductive energy transmission

Kategorie: elektrische Energie

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 05.08.2020; letzte Änderung: 20.08.2023

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In den meisten Fällen überträgt man elektrische Energie über elektrische Leiter, beispielsweise die Leiterseile von Hochspannungsleitungen oder durch Kabel. Es gibt jedoch Anwendungen, bei denen eine kontaktlose Energieübertragung benötigt wird. Die praktisch wichtigste Methode dafür ist die induktive Energieübertragung, die auf dem Phänomen der elektromagnetischen Induktion beruht. Sie wird beispielsweise in manchen Fällen für das Laden von Elektroautos oder anderen elektrischen Fahrzeugen verwendet, im kleinen Maßstab für das Aufladen der Akkus von Kleingeräten, vor allem von Smartphones. Weitere Anwendungen werden im Artikel erklärt.

Grundprinzip der induktiven Energieübertragung

Das Grundprinzip ist das eines Transformators. Auf der Senderseite hat man in aller Regel eine Spule (Primärspule, Senderspule), d. h. ein mit vielen Windungen aufgewickelter isolierter Draht. Hierdurch schickt man einen Wechselstrom. Dieser erzeugt ein mit der gleichen Frequenz schwingendes Magnetfeld. Auf der Empfängerseite verwendet man eine weitere Spule (Sekundärspule, Empfängerspule), die vom erzeugten Magnetfeld durchflossen wird. In dieser Spule induziert das Magnetfeld eine elektrische Spannung, sodass an den Anschlüssen dieser Spule eine Wechselspannung auftritt und auch ein Wechselstrom entnommen werden kann.

Der in der Empfängerspule fließende Wechselstrom wirkt wiederum auf das Magnetfeld zurück und dadurch auch auf die Senderspule. Dies äußert sich in einer erhöhten Leistungsaufnahme dieser Spule, d. h. in einer verstärkten Belastung der Stromquelle des Senders.

Ein Eisenkern kann zur Verstärkung des Magnetfeldes verwendet werden. Anders als in einem Transformator kann dieser aber in der Regel nicht so ausgeführt werden, dass er beide Spulen durchstößt.

Die in der Empfängerspule induzierte Spannung kann natürlich in der Praxis variieren, beispielsweise wenn die geometrische Anordnung der Spulen sich ändert. Auf der Empfängerseite muss also mit einer variablen Spannung gearbeitet werden können.

Effizienz der Energieübertragung

Obwohl das Grundprinzip genau dem eines Transformators entspricht, ist die Situation in der Praxis meist deutlich weniger optimal für eine möglichst vollständige (energieeffiziente) Übertragung von Energie:

  • Je größer der Abstand zwischen den beiden Spulen, desto weniger vom erzeugten Magnetfeld der Primärspule durchdringt die Sekundärspule. Diese nur lose magnetische Kopplung führt zunächst zu einer Reduktion der induzierten elektrischen Spannung.
  • Das durch die Stromaufnahme in der Sekundärspule induzierte Gegenfeld behindert zusätzlich das Eindringen des Magnetfelds. Effektiv erhält man verstärkt Streufelder in der Umgebung, die der Energieübertragung nicht dienen.
  • Wenn sich andere elektrisch leitende Materialien in der Umgebung befinden (vor allem flächige oder voluminöse), können auch in diesen Ströme induziert werden, was zu einem zusätzlichen Energieverlust führt.
  • Wie beim Transformator gibt es natürlich auch Energieverluste durch den elektrischen Widerstand der beiden Spulen.
  • Anders als beim Transformator kann man in der Regel keinen geschlossenen Eisenkern verwenden, der das erzeugte Magnetfeld wesentlich verstärken und quasi auf die richtige Bahn zwingen kann.

Für eine möglichst effiziente Energieübertragung sollte der Abstand der beiden Spulen möglichst klein sein, und idealerweise sollten sich keine anderen leitfähigen Materialien in der Nähe befinden.

Ein anderer wichtiger Faktor ist die Frequenz des verwendeten Wechselstroms. Bei Verwendung einer niedrigen Frequenz, beispielsweise der in Europa üblichen Netzfrequenz von 50 Hz, während die technisch möglichen übertragenen Leistungen und Wirkungsgrade meist sehr gering. Sehr viel besser funktioniert die Methode mit viel höheren Frequenzen, z. B. von vielen Kilohertz (kHz = 1000 Hz). Wenn die Senderseite Energie aus dem Stromnetz beziehen soll, braucht man einen Frequenzumrichter, typischerweise bestehend aus einem Gleichrichter und einem Wechselrichter. Auf der Empfängerseite verwendet man meist einen weiteren Gleichrichter, um Gleichstrom für die Anwendung zu gewinnen. Moderne Leistungselektronik erlaubt die Anwendung solcher Verfahren auch bei hohen Leistungen und mit guten Wirkungsgraden von Gleichrichter und Wechselrichter.

Die übertragbaren Leistungen und erzielbaren Gesamtwirkungsgrade hängen stark von den jeweiligen Umständen ab. Siehe hierzu die im nächsten Abschnitt genannten Beispiele.

Typische Anwendungen induktiver Energieübertragung

Drahtloses Laden von Smartphones

Für das drahtlose Laden von Smartphones verwendet man in der Regel eine Art von Ladeschale, auf die das zu ladende Gerät gelegt werden kann. Der Abstand der beiden Spulen liegt somit nur im Bereich von einigen Millimetern. Ein negativer Faktor ist, dass im Smartphone nicht allzu viel Platz für eine umfangreiche Sekundärspule verfügbar ist. In der Praxis erzielbare Wirkungsgrade liegen immerhin meist in der Größenordnung von 50 %, teils aber auch deutlich höher.

Der gängige Qi-Standard [1] regelt diverse technische Details und ermöglicht damit die Verwendung von Geräten unterschiedlicher Marken als Lader und Telefon.

Angesichts der relativ geringen übertragenen Energiemengen sind gewisse Energieverluste bei dieser Anwendung im Prinzip gut tolerierbar. Jedoch können die folgenden negativen Nebenwirkungen auftreten:

  • Wenn nur eine begrenzte Leistung für den Sender zur Verfügung steht (etwa bei Betrieb über ein USB-Kabel nach einem älteren Standard), bewirken Energieverluste eine reduzierte Ladeleistung und damit längere Ladezeiten.
  • Wenn die Ladeschale durch die Energieverluste erheblich erwärmt wird und damit auch das zu ladende Gerät, kann dies vor allem zu einer beschleunigten Alterung des darin befindlichen Akkus führen.

Laden von elektrischen Fahrzeugen

Das Laden von Elektroautos ist induktiv möglich, wobei man beispielsweise eine im Boden (knapp unter der Oberfläche) liegende Primärspule und eine Sekundärspule am Fahrzeugboden hat. Der Abstand der Spulen liegt dann in der Größenordnung von 10 bis 20 cm. (Normalerweise muss das Auto eine gewisse Bodenfreiheit behalten.) Das Fahrzeug muss auf einige Zentimeter genau an der richtigen Position abgestellt werden.

Bislang ist die übertragene Leistung auf rund 20 kW begrenzt, und die Energieverluste liegen größenordnungsmäßig bei 10 bis 20 %. Auch ein bislang fehlender herstellerübergreifender Standard ist ein wichtiges Hindernis gegen die Einführung dieser Technologie.

Interessant wäre diese Technologie beispielsweise für kurzzeitiges Nachladen von Elektrobussen bei Halten, wo das Anschließen eines Kabels nicht praktikabel wäre. Allerdings sind Stromabnehmer am Fahrzeugdach eine mögliche Alternative mit wesentlichem besserer Energieeffizienz.

Einfacher realisierbar ist das induktive Laden für kleinere automatisierte elektrisch betriebene Fahrzeuge, beispielsweise in Fabrikhallen oder für autonome Rasenmäher. Hier lassen sich einerseits geringere Abstände zwischen den Spulen realisieren, und andererseits sind angesichts der kleineren Energiemengen gewisse Energieverluste eher tolerierbar. Andererseits dürfte auch eine konduktive Energieübertragung durch das Herstellen einer leicht lösbaren elektrischen Verbindung auch für autonome Geräte kein größeres Problem darstellen; man ist also auf die Methode der induktive Übertragung nicht unbedingt angewiesen.

Theoretisch könnten Elektrofahrzeuge induktiv sogar während der Fahrt geladen werden. Dies erscheint allerdings als praktisch schwer realisierbar, weil dafür die Fahrbahnen auf großen Strecken mit entsprechenden Einrichtungen ausgerüstet werden müssten.

Induktionsöfen

Eine modifizierte Art induktive Energieübertragung wird in Induktionsöfen verwendet. Hier verwendet man oft keine Sekundärspule, sondern einfach ein zu erhitzendes elektrisch leitfähiges Material, in dem die Sendespule Ströme induziert. Diese führen dann zu einer Erwärmung. Induktionsöfen hoher Leistung werden beispielsweise in der Stahlindustrie verwendet.

Der wichtigste Unterschied zu den anderen Verfahren besteht darin, dass auf der Empfängerseite keine nutzbare elektrische Energie anfällt, sondern Elektrowärme.

Induktive Messgeräte

Manche Messgeräte benutzen ebenfalls eine induktive Kopplung, allerdings nicht für eine Energieübertragung als primären Zweck. Beispielsweise gibt es Stromzangen zur berührungslosen Messung elektrischer Stromstärken.

Elektromagnetische Verträglichkeit

Vor allem wo ein gewisser Abstand zwischen Primär- und Sekundärspule nötig ist, sind gewisse Streufelder (also Magnetfelder, die in der Umgebung auftreten) unvermeidbar. Dies kann zu Problemen mit elektromagnetischer Verträglichkeit führen. Beispielsweise können empfindliche Geräte dadurch in ihrer Funktion gestört werden. Günstig ist allerdings der Umstand, dass kaum elektromagnetische Wellen abgestrahlt werden, sondern man es im wesentlichen nur mit stationären Feldern zu tun hat; die elektrischen und magnetischen Feldstärken fallen mit zunehmender Entfernung sehr rasch ab.

Gewisse Bedenken gibt es auch im Hinblick auf denkbare gesundheitliche Beeinträchtigungen; in diesem Zusammenhang kommt der Begriff Elektrosmog häufig vor. Wenn sich ein Mensch für längere Zeit z. B. in unmittelbarer Nähe einer laufenden induktiven Ladeeinrichtung eines Elektroautos aufhält, sind gesundheitliche Wirkungen durchaus denkbar, da die Felder aufgrund der benötigten Leistungen (viele Kilowatt) recht stark sind. Gefahren könnten auch durch die Störung der Funktion von Herzschrittmachern auftreten. Allerdings sind gewisse Mindestabstände in der Praxis garantiert, wenn sich die Spule nicht zu nahe am Rand des Fahrzeugs befinden; es ist kaum damit zu rechnen, dass eine Person unter das Fahrzeug kriecht, und selbst für diesen Fall wäre ggf. eine automatische Sicherheitsabschaltung realisierbar. Außerdem kann automatisch sichergestellt werden, dass die Senderspule nur betrieben wird, solange sich das Fahrzeug mit der Empfängerspule direkt darüber befindet. Eine abschließende Beurteilung der Problematik ist für den Autor derzeit nicht möglich.

Alternative Methoden

Es gibt diverse alternative Methoden der kontaktlosen Energieübertragung:

  • Eine kapazitive Kopplung z. B. zwischen Metallplatten, zwischen denen sich ein gewisser Luftspalt befinden kann, erlaubt eine gewisse Energieübertragung, allerdings mit sehr begrenzten Leistungen.
  • Die Verwendung von Radio- oder Mikrowellen erscheint zunächst ziemlich ähnlich zur induktiven Energieübertragung, unterscheidet sich von dieser aber dadurch, dass Wellen und nicht nur stationäre Felder verwendet werden. Dies erlaubt einerseits größere Übertragungsdistanzen, andererseits entstehen aber auch größere Energieverluste durch in "falsche" Richtungen laufende Wellen – womöglich auch mit negativen Nebenwirkungen.
  • Ähnlich kann man auch mit Licht Energie übertragen, wobei aber wichtige praktische Umstände anders sind. In diesem Fall dient meist ein Laser als Sender und eine Solarzelle als Empfänger. Es besteht auch die Möglichkeit, das Licht durch eine Glasfaser zu senden; man nennt die Methode dann Power over Fiber [2]. Diese Methode wird beispielsweise verwendet, um Sensoren an Hochspannungsleitungen mit der nötigen Betriebsenergie zu versorgen; das Verlegen einer elektrischen Leitung kommt wegen der Hochspannung hier nicht infrage.

Literatur

[1]Wikipedia über den Qi-Standard, https://de.wikipedia.org/wiki/Qi_(induktive_Energie%C3%BCbertragung)
[2]R. Paschotta, Enzyklopädieartikel (english) über Power over Fiber, https://www.rp-photonics.com/power_over_fiber.html

Siehe auch: Transformator

Fragen und Kommentare von Lesern

04.01.2023

Um einen Kochtopf zu bauen, der außen kalt bleibt und innen induktiv aufgeheizt werden kann, müsste die Innenschale auf Induktionsstrahlen reagieren, aber die Außenschale nicht. Angeblich wären ferritischer und austenitischer Edelstahl geeignet. Wie groß darf der Abstand zwischen beiden Schalen sein, damit die Induktionsstrahlung noch wirkt? Und schirmt die austenitische Außenschale die Induktionsstrahlung ab?

Antwort vom Autor:

Im Prinzip könnte man so etwas machen; ich stelle mir vor, dass die Außenschale ein geringere Dichte der Wärmeerzeugung aufweisen sollte und damit die Temperatur an der Unterseite etwas sinken würde, womit die Wärmeverluste nach unten reduziert würden. Ich glaube aber nicht, dass damit viel zu holen wäre. Induktionskochen ist schon ziemlich effizient.

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