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Kraft-Wärme-Kopplung – ein Ersatz für die energetische Sanierung?

Erschienen am 10.01.2017 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2017_01_10.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Man könnte meinen, dass die Errichtung eines Mikro-Blockheizkraftwerks für ein Einfamilienhaus eine sinnvolle und kostengünstige Alternative zu einer energetischen Sanierung mit Vollwärmeschutz ist. Eine genauere Betrachtung zeigt aber, dass dies in aller Regel nicht der Fall ist.

Rüdiger Paschotta

Es könnte der Traum so manches Architekten sein: Ich verzichte beim Altbau auf jede Wärmedämmung, akzeptiere also einen hohen Wärmebedarf, und decke diesen mit einem kleinen Blockheizkraftwerk (BHKW) – z. B. mit Stirlingmotor oder Brennstoffzelle. Dann nutze ich doch eine hocheffiziente Technik und muss mich nicht mit Wärmedämmung befassen! Macht im Heizkeller, was ihr wollt, und lasst mich bei der Gebäudehülle unbehelligt! Ist das nicht eine besonders kluge Art der energetischen Sanierung?

Auf den ersten Blick mag diese Lösung einigen Charme haben. Die Investitionskosten sind zwar viel höher als die für einen neuen Heizkessel (selbst mit Ergänzung durch eine thermische Solaranlage), aber immer noch oft deutlich tiefer als die für einen Vollwärmeschutz, also eine umfassende Wärmedämmung der Gebäudehülle. Die vom Mikro-BHKW erzeugte elektrische Energie übersteigt den Eigenverbrauch bei Weitem; der Überschuss wird verkauft – mit staatlich garantierter Förderung. Hersteller von geeigneten Anlagen präsentieren Rechenbeispiele, mit denen dann z. B. 1000 bis 2000 Euro pro Jahr an Betriebskosten eingespart werden, weil der Erlös der Stromeinspeisung deutlich höher ist als die Mehrkosten beim Brennstoff (meist Erdgas). Das ist grob vergleichbar mit den Einsparungen durch eine Wärmedämmung, trotz der niedrigeren Installationskosten. Also doch eine bessere Lösung, oder?

Nein, durchaus nicht, denn die gemachten Annahmen stimmen teils nicht – vor allem nicht die impliziten (nicht ausdrücklich genannten) Annahmen:

  • Dass die Wartungskosten oft sehr optimistisch angesetzt werden (realistisch vielleicht nur für die ersten Betriebsjahre), ist noch zu verschmerzen.
  • Bedenklicher ist, dass die Lebensdauer eines BHKW niemals mit der einer Wärmedämmung mithalten kann: In 30 Jahren braucht man vermutlich zwei bis drei BHKWs (wenn diese gut gebaut sind), während ein Vollwärmeschutz locker wesentlich länger hält. Somit sind die Investitionskosten der BHKW-Lösung über 30 Jahre voraussichtlich sogar viel höher: unter Umständen über 100 000 € schon für ein Einfamilienhaus, entsprechend mehr als 3000 € pro Betriebsjahr. Das ließe sich wohl selbst bei exzellenter Energieeffizienz der Anlage niemals amortisieren.
  • Wenn die Fenster des Altbaus zunächst die alten bleiben, müssen sie früher oder später doch ersetzt werden. Auch die Fassade wird z. B. mal einen neuen Putz brauchen – das gibt mit Gerüstbau, Anstrich usw. nicht so viel weniger Aufwand, als gleich einen Vollwärmeschutz anzubringen. Also kann zumindest ein guter Teil der zunächst vermiedenen Sanierungskosten ein paar Jahre später doch noch anfallen.
  • Vor allem aber wird oft einfach angenommen, die Energiepreise blieben in etwa unverändert – und zwar nicht für drei Jahre, sondern für die gesamte Lebensdauer einer Anlage von vielleicht 15 Jahren! Das ist natürlich völlig blauäugig. Der Ölpreis wird mit größter Wahrscheinlichkeit innerhalb von weniger als 15 Jahren massiv ansteigen, und der Gaspreis wird folgen, da hier eine direkte Konkurrenz besteht. Auf der anderen Seite wird der Erlös aus den Stromeinspeisungen nicht unbedingt steigen; der orientiert sich meist am Börsenstrompreis und wird längerfristig von der Politik maßgeblich festgesetzt. Eine gesteigerte Einsparung ergibt sich dann nur beim (meist relativ geringen) Anteil des Eigenverbrauchs.

Somit ist die wirtschaftliche Seite dieser Argumentation äußerst fragwürdig, zumindest wenn man mehr als wenige Jahre voraus denkt. Hinzu kommt noch, dass der Wohnkomfort eines Hauses mit Wärmedämmung und neuen Fenstern wesentlich höher ist. Wenn gleichzeitig noch eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung eingebaut wird (kostengünstig unter der Außen-Wärmedämmung!), steigt bei guter Ausführung der Komfort weiter, mit nochmals gesenktem Energieaufwand. Und wer sich vorerst mal mit einer Mikro-BHKW-Lösung behilft, nach Ablauf von dessen Lebensdauer dann aber doch eine richtige energetische Sanierung vornimmt, setzt auf jeden Fall eine Menge Geld in den Sand.

Wie sieht es nun aber für die energetische Effizienz der BHKW-Lösung aus, verglichen mit besserer Wärmedämmung? Nehmen wird z. B. eher optimistisch an, dass ein kleines BHKW einen Wirkungsgrad von 25 % elektrisch und 65 % thermisch hat. Nehmen wir an, dass der damit erzeugte Strom sonst von einem Gaskraftwerk mit 50 % Wirkungsgrad (also ohne Abwärmenutzung) erzeugt würde. Wir können dem BHKW also für die erzeugte Strommenge eine "Gutschrift" in doppelter Höhe der Stromerzeugung geben. (Der Vergleich mit ineffizienteren alten Kraftwerken wäre für das BHKW günstiger, aber unfair: Neuanlagen sollten mit Neuanlagen verglichen werden.) Ausgehend von 100 % Wärmebedarf des ungedämmten Hauses braucht das BHKW 100 % / 0,65 = 154 % in Form von Gas, erzeugt damit aber noch 38,5 % Strom, den wir als verdoppelte Gutschrift mit 77 % anrechnen (wegen der Einsparung von Gas im Kraftwerk). Der gesamte Gasverbrauch für 100 % Heizwärme ist also effektiv 154 % − 77 % = 77 % des Wärmebedarfs. Man liegt so also einerseits deutlich besser als dasselbe Haus mit einem gewöhnlichen Heizkessel (der bei ca. 110 % läge), aber auch viel schlechter als ein gründlich energiesaniertes Haus, welches (wie von Autor an seinem Haus demonstriert) z. B. nur noch knapp 30 % des ursprünglichen Gasverbrauchs hat – also effektiv weitaus weniger verbraucht als dasselbe Haus ungedämmt und mit BHKW.

Es wird deutlich, dass Kraft-Wärme-Kopplung zwar durchaus eine effizientere Methode sein kann, bestimmte wirklich gebrauchte Wärme- und Strommengen zu erzeugen. Beispielsweise wird auch ein gut wärmegedämmtes Zehn-Familien-Haus einige Dutzend Kilowatt Heizleistung benötigen, und dann ist ein kleines Blockheizkraftwerk durchaus eine vernünftige Lösung. Jedoch ist sie keine Lösung, um die Verschwendung von Heizwärme z. B. in ungedämmten Häusern tragbar zu machen. Dies gilt wie gezeigt sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer Hinsicht. Es bleibt aber der Vorteil des Architekten: Er muss sich nicht mit Wärmedämmung herumschlagen, und die Probleme mit aus dem Ruder laufenden Energiekosten und dem teuren Ersatz der Anlagen z. B. alle 10 Jahre treffen ihn ja nicht!

Zu diesem Thema haben wir übrigens noch einen anderen Artikel: "Blockheizkraftwerke – eine Wunderlösung?"

Man beachte auch den Artikel "Brennstoffzellen für Haushalte bleiben in der Nische" des Energieblogger-Kollegen Frank Urbansky. Brennstoffzellen sind eine der möglichen Technologien für Mikro-BHKW.

Siehe auch: Kraft-Wärme-Kopplung, Blockheizkraftwerk, Wärmedämmung, energetische Sanierung von Gebäuden

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