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CO2-neutral

Definition: ohne Einfluss auf den CO2-Gehalt der Atmosphäre

Englisch: CO2 neutral

Kategorien: Grundbegriffe, Ökologie und Umwelttechnik

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 09.06.2010; letzte Änderung: 27.08.2023

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Das Adjektiv CO2-neutral wird in verschiedenen Zusammenhängen verwendet. Es sagt aus, dass die Verwendung eines Brennstoffs oder auch eine menschliche Aktivität (z. B. ein Flug oder eine Veranstaltung) keinen Einfluss auf die Kohlendioxid-Konzentration der Atmosphäre hat und insofern nicht klimaschädlich ist. Allerdings sind CO2-Neutralität und Klimaneutralität z. B. im Falle des Flugverkehrs keineswegs gleichbedeutend, was weiter unten erklärt wird. CO2-Neutralität ist nur eine (wichtige) Voraussetzung unter anderen für Klimaneutralität.

Gelegentlich werden auch geplante Anlagen mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) als CO2-neutral bezeichnet. Dies erlaubt jedoch nur CO2-reduzierte und nicht etwa CO2-freie Energiegewinnung, da nicht alles CO2 abgetrennt und gespeichert werden kann.

CO2-neutrale Brennstoffe

Man könnte erwarten, dass ein CO2-neutraler Brennstoff keinen Kohlenstoff enthält, so dass bei seiner Verbrennung kein CO2 frei wird. Dies ist jedoch nicht so; im Gegenteil wird das Adjektiv meistens gerade im Zusammenhang mit kohlenstoffhaltigen Brennstoffen verwendet. Die CO2-Emissionen bei der Verbrennung können jedoch so kompensiert sein, dass netto kein CO2 der Atmosphäre zugeführt wird, weil anderswo CO2 absorbiert oder weniger emittiert wird.

Sogenannte Biokraftstoffe wie Biodiesel, Bioethanol und Biogas werden aus Pflanzenmaterial (Biomasse) gewonnen. Dieses enthält Kohlenstoff, den es bei seinem Wachstum vollständig in Form von CO2 der Atmosphäre entzogen hat. Wenn Energiepflanzen für die Kraftstoffgewinnung angebaut werden, wird der Atmosphäre zusätzlich CO2 entzogen, welches die Emissionen bei der Verbrennung im Prinzip kompensieren kann. (Für Einschränkungen hierzu siehe unten.) Wenn es sich um Abfälle handelt, setzt die Verbrennung nur so viel CO2 frei, wie sonst bei der nutzlosen Verrottung ohnehin entstanden wäre. (Für das Klima entsteht sogar ein großer Vorteil, wenn eine Vergärung der Abfälle mit der Bildung von Methan vermieden wird.)

Ähnliches gilt für Holz. Wenn ein Wald nicht genutzt wird, stellt sich irgendwann ein Gleichgewichtszustand ein, in dem pro Jahr etwa so viel CO2 der Luft entnommen wird, wie bei der Verrottung toter Pflanzen wieder frei wird. (Unter bestimmten Umständen kann der Atmosphäre auch dauerhaft CO2 entzogen werden; dies ist nur möglich, wenn der enthaltene Kohlenstoff in Form von ständig zunehmender Biomasse abgelagert wird, was jedoch meist nicht der Fall ist.) Wenn dem Wald dagegen im Zuge der Nutzung ständig Holz entzogen wird, kann er netto CO2 aufnehmen, so dass die Holznutzung insgesamt CO2-neutral wird.

Die CO2-Neutralität kann in der Praxis daran scheitern, dass bei der Produktion z. B. von Biokraftstoffen zusätzliche CO2-Emissionen entstehen, insbesondere durch den Kraftstoffverbrauch oder Stromverbrauch von Maschinen, durch die Herstellung von Düngemitteln und Pestiziden, und oft im wesentlichem Umfang auch durch indirekte Landnutzungsänderungen (siehe den Artikel über Biomasse). Wie stark diese Effekte sind, hängt stark von den konkreten Umständen ab. Sehr ungünstig ist z. B. die Herstellung von Bioethanol aus Mais, wo von der theoretischen CO2-Neutralität nur noch ein Bruchteil übrig bleibt. Noch schädlicher kann der Anbau von Ölpalmen auf Flächen sein, die durch Brandrodung von Urwäldern gewonnen wurden. Dagegen können z. B. Biogas und Holz tatsächlich weitestgehend CO2-neutral hergestellt werden, zumindest wenn Abfälle verwertet werden. Wenn Deponiegas genutzt wird, welches sonst unverbrannt in die Atmosphäre gelangen würde, erreicht man mit der Nutzung sogar eine Reduktion der Klimabelastung, weil das besonders klimaschädliche Methan verbrannt wird.

Ein weiteres Problem kann sein, dass den Böden durch den Anbau von Energiepflanzen Mineralstoffe entzogen werden, was durch zusätzlichen Einsatz von Düngemitteln ausgeglichen werden muss. Die Herstellung von Düngemitteln aber ist häufig sehr energieintensiv und klimabelastend. Dem müsste durch eine weitgehende Rückgewinnung der Mineralstoffe z. B. über die Asche begegnet werden.

In Zukunft könnten Biokraftstoffe mit noch zu entwickelnden großtechnischen Verfahren hergestellt werden, bei denen nur Pflanzenabfälle (also nicht essbare Teile) und nicht die angebauten Feldfrüchte selbst verwendet werden können. In diesem Falle wäre der Anbau der Pflanzen und die damit verbundene Umweltbelastung nicht der Kraftstoffherstellung anzulasten, da der Anbau ohnehin für die Gewinnung von Nahrungsmitteln und Futtermitteln geschieht. Erhebliche technische Schwierigkeiten sind hier jedoch noch zu überwinden, insbesondere weil der Kohlenstoff von Pflanzenabfällen weitgehend in Cellulose gebunden ist, die nur schwer aufgebrochen werden kann.

CO2-neutrale Abwärmenutzung

Wenn Abwärme z. B. aus einem fossil gefeuerten Kraftwerk als Fernwärme verteilt und für Heizzwecke genutzt wird, ist diese Nutzung insofern CO2-neutral, dass für die Heizwärme keine wesentlichen zusätzlichen CO2-Emissionen entstehen, wenn das Kraftwerk auch ohne Abwärmenutzung ohnehin betrieben würde. Andererseits ist die Gesamtanlage natürlich nicht CO2-neutral. Es kommt gelegentlich auch vor, dass beispielsweise ein Kohlekraftwerk nicht zuletzt deswegen weiter betrieben wird, weil man sich mit dem Ersatz der erzeugten Heizwärmemengen schwer tut. Insofern sind diesen Heizungen dann auch wesentliche CO2-Mengen zuzuschreiben.

CO2-kompensierte Aktivitäten

Es ist möglich, bestimmte CO2 erzeugende Aktivitäten CO2-neutral zu gestalten, indem man eine CO2-Kompensation vornimmt. Das Prinzip ist, dass zwar gewisse CO2-Emissionen entstehen, diese aber durch eine Reduktion von Emissionen an anderer Stelle kompensiert werden. Für das Klima relevant sind nur die Netto-Emissionen, die also durchaus Null oder zumindest stark reduziert sein können. Das kann z. B. dadurch geschehen, dass zusätzliche Gelder in Projekte fließen, die die Energieeffizienz von Anlagen, Kraftwerken oder Gebäuden erhöhen, oder für den Bau von emissionsfreien Kraftwerken (z. B. Windenergieanlagen) verwendet werden, die dann etwa Kohlekraftwerke ersetzen. Gewisse Institutionen wie z. B. myclimate in der Schweiz bieten solche CO2-Kompensation unter anderem für Flugreisen, den Betrieb von Autos, für Haushalte und Industrieunternehmen an. Es wird sogar gelegentlich das Konzept einer klimaneutralen Schweiz diskutiert, nach dem die gesamten CO2-Emissionen des Landes im Ausland CO2-kompensiert würden.

CO2-Neutralität auf diesem Wege kann leider an den Problemen der CO2-Kompensation kranken. Es ist häufig schwierig, die sogenannte Additionalität von Maßnahmen zu garantieren, also sicher zu stellen, dass die erzielte CO2-Reduktion nicht ohnehin geschehen wäre und dass sie nicht doppelt angerechnet wird. Beispielsweise besteht die Gefahr, dass die Effekte von Aufforstungsmaßnahmen in Drittweltländern einerseits von denen geltend gemacht werden, die diese Maßnahmen bezahlen, und andererseits zusätzlich von den Ländern, die dann womöglich bei anderen Maßnahmen nachlassen. Gerade bei Projekten in Entwicklungsländern hat sich erwiesen, dass oft nur "heiße Luft" produziert wird, d. h. CO2-Reduktionszertifikate generiert werden, die mit keiner echten und zusätzlichen CO2-Reduktion assoziiert sind. Diese Gefahr muss natürlich auch berücksichtigt werden beim Vergleich von Preisen für die CO2-Kompensation im Inland und im Ausland: Eine vermeintlich billigere Klimaschutzwirkung durch Kompensationen im Ausland erweist sich oft eben als gar nicht real und deswegen in Wirklichkeit auch nicht preisgünstig.

Ohnehin ist zu beachten, dass wirksamer Klimaschutz mittelfristig nicht ohne starke Beiträge aus den Industrieländern möglich ist, da diese auch den größten Anteil der Emissionen verursachen. Nur ein erster Anfang kann darin bestehen, dass zum Teil die ohnehin geringen Emissionen in Drittweltländern noch weiter reduziert werden bzw. langsamer als geplant ansteigen.

Ist CO2-Neutralität gleichbedeutend mit Klimaneutralität?

CO2-Neutralität bedeutet in vielen Fällen auch Klimaneutralität, weil klimaschädliche Wirkungen nur (oder jedenfalls größtenteils) durch emittiertes CO2 entstehen. Dies ist beispielsweise bei Heizungsanlagen der Fall und größtenteils auch beim Straßenverkehr, solange Rußemissionen durch Rußpartikelfilter aufgefangen werden.

Es gibt allerdings Fälle, in denen zusätzlich zum CO2 auch andere klimaschädliche Stoffe emittiert werden. Beispielsweise gibt es bei manchen Gasmotoren und Biogas-Anlagen einen erheblichen Methanschlupf, d. h. das Entweichen eines gewissen Anteils von unverbranntem Methan, und dies kann die Klimabilanz massiv verschlechtern.

Eine weitere wichtige Ausnahme ist Kerosin für Flugzeuge. Selbst wenn solches Kerosin komplett durch einen perfekt CO2-neutralen alternativen Kraftstoff ersetzt wird (→ Drop-in-Kraftstoffe), besteht weiterhin das Problem anderer Klimawirkungen, insbesondere durch den ausgestoßenen Wasserdampf, der zur Bildung von Kondensstreifen führt. Diese tragen beträchtlich zum Treibhauseffekt bei – zwar nur ziemlich kurzfristig, aber recht stark. Die derzeitigen Klimawirkungen des Flugverkehrs werden deswegen nur zu weniger als der Hälfte durch die CO2-Emissionen verursacht. Deswegen wäre auch perfekt CO2-neutral hergestelltes synthetisches Kerosin nicht ausreichend, um den Flugverkehr annähernd klimaneutral zu machen.

Außerdem bedeutet klimaneutral nicht umweltneutral, da auch andere Umweltbelastungen auftreten können, z. B. durch Pestizide oder durch bei der Verbrennung entstehende Schadstoffe wie Stickoxide oder Ruß. Es hat sich gezeigt, dass etliche Biokraftstoffe vor allem durch ihre Herstellung insgesamt sogar zu höheren Umweltbelastungen führen als die Verwendung von Erdölprodukten.

Bewertung

Sowohl CO2-neutrale Brennstoffe und Kraftstoffe als auch die CO2-Kompensation von Aktivitäten können durchaus wirkungsvolle Mittel für den Klimaschutz sein. Jedoch kann die Wirksamkeit im Einzelfall in Frage gestellt sein durch die oben diskutierten Probleme.

Im Zweifelsfall dürfte es ökologisch fast immer besser sein, den jeweiligen Brennstoffverbrauch bzw. die emissionsbehaftete Tätigkeit zu vermeiden. Wo dies aber nicht in Frage kommt, kann eine sorgsam garantierte CO2-Neutralität eine gute Lösung sein. Auch wenn dies manchmal als "Ablasshandel" kritisiert wird, ist es ökologisch bei Weitem besser als die Inkaufnahme von unkompensierten Emissionen.

Wenn die CO2-Neutralität eines Industrielandes hauptsächlich durch Kompensationsmaßnahmen im Ausland erreicht werden soll, so ist dies kritisch zu sehen. Ein Grund hierfür ist die häufig nicht gegebene Additionalität (siehe oben), wodurch ein Teil der CO2-Reduktionen nur auf dem Papier erreicht wird. Ein grundsätzlicheres Problem besteht darin, dass ein wirksamer Klimaschutz ohne starke Emissionsreduktionen in den Industrieländern nicht funktionieren kann, nachdem ein großer Teil der Emissionen dort erfolgt. Zudem dürften wirtschaftlich aufstrebende Länder sich kaum mit niedrigeren Emissionen zufrieden geben, wenn Industrieländer signalisieren, dass solche für sie selbst nicht in Frage kommen.

Siehe auch: Kohlendioxid, CO2-Kompensation, CO2-frei, klimaneutral, Brennstoff, Holz, Biogas, Bioethanol, Biomasse, Klimagefahren, Klimaschutz, CO2-Abscheidung und -Speicherung, Nachhaltigkeit

Fragen und Kommentare von Lesern

26.03.2023

Ist die Kohleverbrennung nicht auch CO2-neutral? Dadurch, dass Kohle aus Bäumen entsteht, haben diese ja auch CO2 aufgenommen.

Antwort vom Autor:

Heute durch Kohleverbrennung emittiertes CO2 wird vielleicht irgendwann mal wieder von Pflanzen aufgenommen, aber nicht in nützlicher Zeit. Es ist Kohlenstoff, der früher mal durch natürliche Prozesse aus dem Kreislauf genommen wurde und durch menschliche Aktivität wieder in diesen eingeschleust wird – mit katastrophalen Folgen.

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