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europäisches Verbundsystem

Definition: das kontinentaleuropäische Verbundnetz für den Austausch elektrischer Energie

Englisch: central European electricity network system

Kategorie: elektrische Energie

Autor:

Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen

Ursprüngliche Erstellung: 30.12.2012; letzte Änderung: 20.08.2023

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Unter dem europäischen Verbundsystem versteht man gewöhnlich das Verbundnetz, welches durch Zusammenschluss der nationalen Übertragungsnetze der kontinentaleuropäischen Länder entstand – ohne Großbritannien, Irland, Island, Norwegen, Schweden, Finnland und die baltischen Staaten. Man spricht bei diesem Elektrizitätsverbund auch heute oft vom UCTE-Verbundnetz, da dieses bis 2009 von der Union for the Co-ordination of Transmission of Electricity (UCTE) koordiniert wurde. In 2009 ging diese Aufgabe auf den Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E = European Network of Transmission System Operators for Electricity) über.

Die nordischen Länder Norwegen, Schweden und Finnland betreiben aus technischen Gründen separate, mit dem UCTE-Netz nicht synchronisierte Übertragungsnetze, die zum NORDEL-Netz zusammengeschlossen wurden. Ähnliches gilt für Großbritannien mit dem UKTSOA. Eine direkte Anbindung dieser Länder an das UCTE-Netz über Drehstromleitungen wäre nicht praktikabel, da diese für Unterseekabel wenig geeignet sind. Der Stromaustausch erfolgt hier über Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) mit etlichen Leitungen vor allem in der Nordsee und Ostsee. Dies macht eine Synchronisation der Netze unnötig, erfordert aber eine eigene Frequenzregelung. Die Austauschkapazitäten werden durch weitere HGÜ-Leitungen bald noch deutlich verstärkt werden.

An einer möglichen Erweiterung des UCTE-Netzes nach Osten durch Zusammenschluss mit dem IPS/UPS-Netz für Russland, Weißrussland, die Ukraine und einige kleinere Länder wird gearbeitet. Dadurch entstünde ein riesiger Zusammenschluss, der 13 Zeitzonen umfassen würde. Von Bedeutung würde dies insbesondere im Rahmen eines zukünftigen Supergrids (siehe unten).

Heutige Funktion des europäischen Verbundsystems

Bisher sind die Verbindungen der Übertragungsnetze verschiedener Länder innerhalb des UCTE-Netzes relativ schwach ausgelegt, und die ausgetauschten Energiemengen sind weitaus geringer als die erzeugten Mengen. Bei manchen Ländern wie z. B. der Schweiz halten sich der Stromimport und -export im Jahresmittel trotz hoher Strommengen etwa die Waage. Andere Länder wie Italien, die Niederlande oder Griechenland importieren wesentlich mehr Strom als sie exportieren, wobei allerdings die Eigenerzeugung trotzdem den größten Teil des Verbrauchs deckt. Wieder andere Länder wie Norwegen, Frankreich und Spanien exportieren wesentlich mehr, als sie importieren, aber wiederum nur einen kleineren Teil ihrer Erzeugung.

Der internationale Stromaustausch dient zum guten Teil dem Ausgleich von temporären Engpässen; beispielsweise importiert Frankreich in kalten Winterwochen erhebliche Strommengen für seine Elektroheizungen, obwohl es klar ein Netto-Exporteur ist. Durch den großen Verbund können die benötigten Kapazitäten für Reserven und Regelenergie wesentlich kleiner und damit kostengünstiger gehalten werden, als wenn jedes europäische Land jederzeit eine ausgeglichene Bilanz von Erzeugung und Verbrauch haben müsste.

Eine Zukunftsvision: das europäische Supergrid

Es gibt Pläne für ein europäisches Supergrid mit massiven Übertragungskapazitäten auf der Basis der Hochspannungs-Gleichstromübertragung. Dieses würde dann auch die nordischen Länder (sogar Island) einbinden und beispielsweise ermöglichen, dass die großen norwegischen Kapazitäten an Wasser-Speicherkraftwerken mit der Windenergieerzeugung gekoppelt würden: Die Wasserkraftwerke würden zusammen mit Biomassekraftwerken Leistung etwa in dem Maße liefern, wie sie beim Wind fehlt, und Pumpspeicherkraftwerke würden umgekehrt mit Hilfe von Windstromüberschüssen aufgeladen. Zusätzlich könnten mit verstärkten Leitungen nordafrikanische und arabische Länder (etwa Marokko, Tunesien, Algerien, Libyen, Ägypten) eingebunden werden, die dann noch aufzubauende massive Erzeugungskapazitäten in Form von Solarkraftwerken und Windenergieanlagen zum Export nutzen könnten. Konsequent verfolgt, könnte diese Strategie dazu führen, dass eine Vollversorgung mit erneuerbarer Energie für ganz Europa entstünde, wobei die Kosten der Stromversorgung ähnlich gering wie heute (mit viel fossilen Energieträgern) oder sogar noch niedriger sein könnten [1]. Dies rührt daher, dass die Stromerzeugungskosten massiv gesenkt würden, indem Kraftwerke vermehrt an optimalen Standorten betrieben würden, während die zusätzlichen Kosten für das Supergrid relativ niedrig wären.

Literatur

[1]G. Czisch, "Szenarien zur zukünftigen Stromversorgung, kostenoptimierte Variationen zur Versorgung Europas und seiner Nachbarn mit Strom aus erneuerbaren Energien", Dissertation (2006)
[2]http://www.netzfrequenzmessung.de/: Anzeige der momentanen Netzfrequenz im europäischen Verbundnetz, mit diversen Zusatzinformationen

Siehe auch: Verbundnetz, Stromnetz, Übertragungsnetz, Supergrid

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