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Ist die Klimatisierung von Gebäuden Energieverschwendung?

Erschienen am 03.08.2018 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)

Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2018_08_03.html

Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG

Inhalt: Die sommerliche Kühlung von Gebäuden mit Klimaanlagen kann durchaus viel Energie verbrauchen - sie muss es aber nicht, wenn man die Sache richtig anpackt. Man kann insbesondere die Wärmelasten minimieren und effiziente Geräte einsetzen. Für größere Gebäude gibt es sogar Möglichkeiten der Kühlung, die netto kaum Energie verbrauchen.

Rüdiger Paschotta

Bei der derzeitigen Hitzewelle werden sich sicher wieder viele mit dem Gedanken tragen, eine Klimaanlage oder auch ein Kompakt-Raumklimagerät anzuschaffen. Dabei kommt natürlich auch die Frage auf, ob dies mit einem vertretbarem Energieaufwand verbunden ist. Manche sehen die sommerliche Kühlung von Räumen ohnehin als unverzichtbar an und betrachten den entstehenden Energieaufwand eben als unvermeidlich, während andere die Klimatisierung grundsätzlich als Energieverschwendung ansehen. Beides halte ich für falsch – analysieren wir das mal genauer.

Zunächst einmal sollte man nicht nur wegen des Energieverbrauchs, sondern schon wegen der Anschaffungskosten prüfen, ob das Problem nicht einfacher zu lösen ist – zuerst einmal mit angemessenem Sonnenschutz. Vor allem gilt es natürlich, die Sonneneinstrahlung durch die Fenster auf das nötige Maß zu begrenzen. Am effektivsten ist hier ein außen angebrachter Sonnenschutz; innen angebrachte Blenden oder Jalousien heizen sich nämlich im Sonnenlicht auf und erwärmen dann die Raumluft.

Ein weiterer Faktor ist die Wärmedämmung: Diese verhindert nicht nur große Wärmeverluste im Winter, sondern auch einen ungewollten Wärmeeintrag an heißen Sommertagen. Ganz falsch ist jedenfalls die Vorstellung, Wärmedämmung würde sogar zur Überhitzung von Häusern beitragen. Besonders bei Dächern, wo die Dachziegel im Sommer enorm heiß werden können, ist die Wärmedämmung auch für den sommerlichen Wärmeschutz wichtig.

Geht es nicht auch ohne Klimatisierung?

Die meisten Gebäude in Mitteleuropa lassen sich ziemlich problemlos so gestalten, dass man den Sommer auch ohne Klimatisierung gut übersteht. Allerdings gilt dies nur, wenn die Architektur nicht entsprechend verbockt wurde – etwa bei Bürogebäuden mit großen Glasfassaden und ohne die Möglichkeit eines angemessenen Sonnenschutzes.

Außerdem kann es mit bestimmten Räumen Probleme geben. Aus eigener Erfahrung kenne ich die Problematik von Räumen unter dem Dach. Selbst wenn das Dach bestens wärmegedämmt ist, ein ordentlicher Sonnenschutz angebracht wurde und auch kaum innere Wärmequellen bestehen (z. B. stromfressende Bürogeräte), kann sich so ein Raum im Laufe des Tages erheblich aufheizen. Dies liegt daran, dass solche Räume unter dem Dach häufig kaum über wärmespeichernde Massen verfügen: Die Wände sind mit leichten Baumaterialien wie Gipsplatten erstellt, während die tieferen Räume schwere gemauerte Wände haben. In einem solchen Fall kann eine sommerliche Kühlung notwendig sein – wobei aber die benötigte Kühlleistung niedrig ausfällt, wenn die anderen genannten Faktoren günstig sind.

Ein Büro unter dem Dach als Beispiel

Für meine eigenes Büro, das früher öfters ca. 30 °C erreichte, suchte ich in 2016 ein Split-Klimagerät aus; dieses hat ein leises Innengerät und ein ebenfalls leises Außengerät, letztes auf dem Dach montiert. Der Fachmann vertrat die Meinung, dass wegen der Größe des Raums (40 m2) ein Gerät mit einer Kühlleistung von 3,5 kW wohl zu knapp bemessen sei – er hatte gar nicht nach der Wärmedämmung und dem Sonnenschutz gefragt und deswegen keine Ahnung von den entstehenden Wärmelasten. Die benötigte Kälteleistung ergibt sich nämlich aus den zu beseitigenden Wärmelasten. Ich versicherte ihm, dass nach meiner Schätzung sogar rund 1 kW locker ausreicht: ca. 100 W durch eine Person, weitere 100 W durch Bürogeräte und wenige hundert Watt von außen: durch die Sonneneinstrahlung trotz Sonnenschutz und durch die (sehr gute) Wärmedämmung des Dachs. Trotzdem entschied ich mich für das Gerät mit maximal 3,5 kW Kühlleistung, weil dieses im Gegensatz zu den schwächeren im erhaltenen Katalog einen drehzahlgeregelten Kompressor hat. Solche Geräte laufen besonders effizient, wenn sie im unteren Leistungsbereich mit entsprechend reduzierter Drehzahl arbeiten.

Es stellte sich dann heraus, dass schon die niedrigste mögliche Drehzahl eine höhere Kühlleistung bringt, als ich für das Büro brauche, solange die Außentemperatur nicht weit über 30° ansteigt – was bei uns bislang nie vorkam. Deswegen läuft das Gerät auch an relativ heißen Tagen auf niedrigster Stufe für z. B. 30 Minuten, um danach für 15 Minuten abzustellen. Der entstehende Stromverbrauch liegt bei ca. einer Kilowattstunde (1 kWh) an einem heißen Tag, verursacht dann also Betriebskosten von rund 30 Cent – was angesichts dessen, dass ich nur so konzentriert arbeiten kann, vernachlässigbar ist. Die Anschaffung war allerdings teuer: mehrere tausend Euro, ca. zur Hälfte durch die Einbaukosten verursacht. Wenn das Gerät aber mit wenig Wartung 20 Jahre lang durchhält, sind diese Kosten auf das Jahr umgerechnet auch nicht schlimm.

Viel höher wäre der Stromverbrauch natürlich ohne Wärmedämmung des Daches und/oder ohne Sonnenschutz, dies womöglich noch kombiniert mit einem schlechten Split-Gerät (ohne Drehzahlregelung des Kompressors) oder gar einem Kompakt-Raumklimagerät. Damit könnte die Kühlung des einen Büroraums locker mehrere Kilowattstunden pro Tag verbrauchen – mehr als halb so viel, wie sonst alle anderen Verbraucher im Einfamilienhaus zusammen.

Ungünstig wäre es auch gekommen, wenn ich der Schätzung des Fachmanns geglaubt hätte, der mir ein Gerät mit mindestens 5 kW Kälteleistung empfohlen hätte, womöglich noch ohne Drehzahlregelung, da er über deren Wichtigkeit überhaupt nicht Bescheid wusste.

Gar nicht infrage käme für mich die Verwendung eines Kompakt-Raumklimageräts, welches mir im Weg herumstünde, ein gekipptes Fenster erzwingt (was zusätzlich zum Gerätelärm noch Geräusche von außen herein lässt) und viel mehr Strom braucht als mein Split-Gerät. Dass die Anschaffung wesentlich günstiger ist und keinen Einbau benötigt, kann die genannten Nachteile für mich niemals ausgleichen.

Aus dem Beispielfall kann man eine Menge lernen:

  • Die Minimierung der Wärmelasten v. a. durch Sonnenschutz und Wärmedämmung ist wichtig, reicht aber bei einem Raum unter dem Dach mit leichten Materialien der Wände unter Umständen nicht aus.
  • Dieses Problem lässt sich mit einem effizienten drehzahlgeregelten Split-Klimagerät lösen – mit erheblichen Investitionskosten, aber mit einem ohne weiteres tragbaren Stromverbrauch und entsprechend niedrigen Betriebskosten.
  • Sich auf den Rat eines Fachmanns zu verlassen, dessen Familienunternehmen seit Jahrzehnten Klimageräte einbaut, könnte einen sehr in die Irre führen.
  • Man sollte sich also unbedingt selbst vorher eingehend informieren. Hierfür stelle ich umfangreiche Hilfen kostenlos zur Verfügung: zusätzlich zu den Lexikonartikeln über die Stichworte Klimaanlage, Split-Klimagerät und Kompakt-Raumklimagerät habe ich einen umfassenden Ratgeber Klimageräte verfasst, der gerade im Sommer sehr rege genutzt wird.

Wie bedenklich ist der Stromverbrauch für die Klimatisierung?

In manchen Ländern (beispielsweise in Japan) entsteht der höchste Stromverbrauch im Sommer wegen des hohen Verbrauchs der Klimaanlagen. Dies ist in Deutschland anders: Wir verbrauchen klar am meisten Strom im Winter, teils durch Elektrospeicherheizung und teils aus anderen Gründen. Dies bedeutet für uns, dass wir zumindest keine größeren Kraftwerks- und Stromnetz-Kapazitäten benötigen werden, solange der Stromverbrauch für die Klimatisierung nicht massiv ansteigt.

Interessant ist der Umstand, dass die Photovoltaik bestens geeignet ist, um den Stromverbrauch durch Klimaanlagen zu decken – ganz anders als bei der Problematik der Heizung. Der Solarstrom steht nämlich immer dann reichlich zur Verfügung, wenn die Klimaanlagen viel Strom benötigen. Man muss den Solarstrom also nicht erst speichern, was die Kosten der Solaranlagen massiv erhöhen würde, sondern kann ihn direkt verbrauchen. Wer eine solche Photovoltaikanlage hat (auch ohne Solarstromspeicher), kann sein Klimagerät also sehr günstig betreiben – oft zu dreimal niedrigeren Kosten als für jemanden, der dafür Strom aus dem Netz nehmen muss.

Wegen der ausgezeichneten Eignung der Solarenergie sähe ich selbst einen deutlich ansteigenden Verbrauch für Klimatisierung in Deutschland als nicht allzu problematisch an: Damit wird man zu einem gutem Teil Solarstrom verbrauchen, der sonst ohnehin überflüssig und schwer anderweitig zu nutzen wäre. Viel bedenklicher ist der winterliche Stromverbrauch vor allem durch Elektrospeicherheizungen. Natürlich heißt dies nicht, dass man die Klimatisierung unbedacht einsetzen sollte; am besten ist immer der Energieverbrauch, der erst gar nicht entsteht.

Für große Gebäude gibt es übrigens auch andere interessante Optionen der Klimatisierung. Insbesondere denke ich an die Nutzung von Erdwärmesonden, über die sich überschüssige Wärme im Sommer quasi im Boden versenken lässt. Nicht nur, dass man die Wärme so oft ohne Betrieb einer Kältemaschine los wird; dazu kommt noch, dass die spätere Wärmegewinnung mit einer Wärmepumpenheizung dann sparsamer wird, wenn der Boden nicht mehr so kalt ist. Auf diese Weise kann der Netto-Energieaufwand für die Raumkühlung über das Jahr gerechnet in der Gegend von Null liegen: Im Sommer braucht man nur etwas Strom für Pumpen, und ähnlich viel spart man im Herbst oder Winter wieder ein.

Diese Überlegungen zeigen ganz klar, dass Stromverbrauch für die Klimatisierung zumindest in unseren Breiten kein nennenswertes Problem sein muss, wenn man die Sache geschickt angeht.

Fragen und Kommentare von Lesern

04.06.2019

Hier fehlt der Vollständigkeit halber der Aspekt des reflektierenden Dach-Anstrichs. Zumindest auf Pultdächern und Büroflachdächern hilft ein weißer Anstrich (spezielle haltbare Fassadenfarbe mit Abperleffekt zur Verschmutzungsreduktion, die zum Beispiel auch die Lebensdauer der Dachhaut deutlich verlängert). Ergebnis: 600 Euro pro 100 qm Investition + Eigenarbeit, keine Klimaanlage mehr nötig, da statt 65°-Aufheizung des Daches (dunkle Teerpappe) werden nur noch 5° über Lufttemperatur (35°C) erreicht (Albedoeffekt). Selbst bei einem schlecht isolierten Pultdach wird der Wärmetransport ins Innere extrem reduziert, weil ein Großteil der Energie gar nicht erst ins Dach gelangt. Mit zunehmender Dauer einer Hitzewelle vergrößert sich der Anteil der Dachwärme an der Gebäudeaufheizung gegenüber dem Fensteranteil, erst recht wenn diese schon mit Außen-Alublenden versehen sind. Die Deutschen haben jedoch bei sichtbareren Satteldächern Hemmungen, helle Farben einzusetzen, ähnlich wie deutsche Autos, sind Dächer aus fragwürdigen Gründen mehrheitlich dunkel… In Kalifornien gilt übrigens für Gewerbeneubauten eine "Weißdach-Pflicht"!

Antwort vom Autor:

Ich danke für den guten Hinweis.

04.05.2023

Noch besser als ein reflektierender Dach-Anstrich ist die Verschattung durch die eigene Aufdach-Photovoltaikanlage. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass ein im Sommer früher fast unbewohnbarer Teil der Dachwohnung nach Installation einer PV-Anlage sehr gut temperiert ist. Die nebenbei erzeugte Strommenge muss gar nicht für die Klimatisierung eingesetzt werden und deckt aktuell mehr als 50 % meines Jahresverbrauchs.

Antwort vom Autor:

Glückwunsch!

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