Elektronenvolt
Definition: eine Einheit für Energien, die vor allem in der Physik gebräuchlich ist
Englisch: electron volt
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 25.04.2020; letzte Änderung: 20.08.2023
Das Elektronenvolt (oder amtlich empfohlen eigentlich Elektronvolt) ist eine Einheit der Energie, die in der Physik häufig verwendet wird, und zwar wenn es um Prozesse geht, die einzelne Atome oder Moleküle betreffen (also in der Atomphysik und Kernphysik). Wenn man hierfür die SI-Grundeinheit Joule verwenden würde, käme man auf extrem kleine Zahlenwerte, weswegen eine viel kleinere Einheit nützlich ist.
Das Elektronenvolt (eV) ist definiert als die Energie, die eine elektrische Elementarladung betragsmäßig aufnimmt oder abgibt, wenn sie in einem elektrischen Feld eine Potenzialdifferenz von einem Volt durchläuft. Eine Elementarladung ist beispielsweise die Ladung eines Elektrons, eines Protons oder eines einfach ionisierten Atoms oder Moleküls. Die genannte Potenzialdifferenz besteht beispielsweise zwischen zwei Metallplatten, zwischen die eine elektrische Spannung von 1 V angelegt wird.
Ein Elektronenvolt entspricht ca. 1,602 · 10−19 Joule. Der Zahlenwert entspricht dem für die Elementarladung, wenn man sie in der Grundeinheit Coulomb (C) angibt.
Beispiele
Röntgenröhre
Als Beispiel betrachte man eine Röntgenröhre, in der Elektronen aus einem Glühdraht als Kathode freigesetzt und dann mit einer Spannung von 10 kV = 10.000 V zur Anode hin beschleunigt werden. Sie treffen dann also mit einer Energie von ca. 10 keV (Kiloelektronenvolt) auf die Anode, was zur Aussendung von Röntgenstrahlung (als sogenannte Bremsstrahlung) führt. Die Energie der auftreffenden Elektronen weicht geringfügig von 10 keV ab, da ihre Energie beim Austreten aus der Kathode zwar klein, aber nicht exakt Null ist.
Mehrfach geladene Teilchen können in beschleunigenden elektrischen Feldern entsprechend mehr Energie aufnehmen. Beispielsweise könnte der Atomkern eines Kohlenstoffatoms, der eine sechsfache Ladung enthält, im Feld der Röntgenröhre auf 60 keV beschleunigt werden.
Chemische Prozesse
Bei chemischen Prozessen werden normalerweise pro involviertem Atom oder Molekül Energien in der Größenordnung von ein paar Elektronenvolt umgesetzt. Beispielsweise ergibt sich aus der Bildungsenergie von Kohlendioxid (CO2), die −393,5 kJ pro Mol beträgt, eine Energiefreisetzung von ca. 6,53 · 10−19 J = 4,06 eV pro CO2-Molekül bzw. pro Atom des verbrannten Kohlenstoffs. (Ein Mol entspricht einer Anzahl von ca. 6,022 · 1023 Atome oder Moleküle.) Selbst bei Sprengstoffen ist der Energieumsatz pro Molekül nicht unbedingt höher, nur dass die Energiefreisetzung dort besonders schnell erfolgen kann.
Batterien nutzen elektrochemische Prozesse, die ebenfalls meist Energien von wenigen Elektronenvolt pro Atom umsetzen. Deswegen liefern einzelne Batteriezellen üblicherweise Spannungen in der Größenordnung von einem Volt oder wenigen Volt.
Licht
Bei sichtbarem Licht liegt die Energie pro Photon (Lichtquant) bei ca. 1,7 bis 3,1 Elektronenvolt. Deswegen können solche Lichtquanten beispielsweise in einer Solarzelle auf einzelne Elektronen eine Energie von wenigen Elektronenvolt übertragen. Die verwendeten Materialien (z. B. Silizium) müssen eine sogenannte Bandlückenenergie aufweisen, die etwas kleiner ist als diese Elektronenenergie – beispielsweise ca. 1,2 eV bei Silizium, was etwas weniger als optimal ist für die Nutzung von Sonnenlicht. Die von einer solchen Solarzelle gelieferte elektrische Spannung liegt nochmals deutlich unterhalb des durch die Bandlücke festgelegten Werts, nämlich bei Silizium bei ca. 0,5 V. Daraus erkennt man, dass der Wirkungsgrad einer Silizium-Solarzelle selbst dann weit unterhalb von 50 % liegen müsste, wenn jedes einfallende Lichtquant ein Elektron zum Stromfluss beitrüge.
Eine Solarzelle für die Nutzung sichtbaren Lichts, die einen hohen Wirkungsgrad von beispielsweise 80 % hätte, müsste eine wesentlich höhere Spannung liefern. Eine Schwierigkeit ist hierbei, dass die Energie der Lichtquanten im sichtbaren Bereich in einem breiten Bereich variiert. Wenn eine Solarzelle die besonders hochenergetischen Lichtquanten (des blauen Lichts) effizient nutzen sollte, müsste sie eine große Bandlücke des aktiven Materials haben, könnte dann aber die niederenergetischen Lichtquanten gar nicht mehr nutzen. Deswegen erfordert eine hohe Effizienz einen komplizierteren Ansatz, nämlich die Kombination von zwei oder mehr Solarzellen-Schichten mit unterschiedlichen Bandlücken.
Nukleare Prozesse
Bei nuklearen Prozessen werden regelmäßig sehr viel höhere Energien pro Atom umgesetzt. Beispielsweise bedeutet radioaktive Strahlung die Aussendung atomarer Teilchen (oder Photonen) mit meist mehreren oder sogar vielen Kiloelektronenvolt. Die Kernspaltung von Uran setzt sogar ca. 200 MeV (Megaelektronenvolt = 1 Mio. Elektronenvolt) wo Atom frei. Bei der Kernfusion z. B. von Deuterium zu Helium erhält man 3,3 MeV pro entstandenem Heliumkern, was auf das geringe Gewicht bezogen sogar noch mehr Energie als bei der Kernspaltung von Uran bedeutet.
Die extrem hohen Energieumsätze pro Atom führen zu einer entsprechend extrem hohen Energiedichte nuklearer Energieträger wie Uran, Plutonium oder Deuterium. Man braucht also relativ wenig solcher Materialien, um wesentliche Energiemengen freizusetzen oder zu speichern.
Strahlung gilt als ionisierend, wenn die Energie pro Strahlungsquantum mehr als ca. 5 eV beträgt. Dies reicht nämlich aus, um pro Quantum ein Atom oder Molekül zu ionisieren und damit auch eine Vielzahl chemischer Prozesse auszulösen. Bei Energien von nur wenigen Elektronenvolt (z. B. mit sichtbarem Licht) können zwar auch schon gewisse chemische Prozesse angeregt werden, jedoch in viel geringerem Umfang. Dagegen kann die Absorption eines einzelnen Gammaquants (z. B. aus Gammastrahlung eines Radionuklids) lokal viele Kiloelektronenvolt freisetzen, was beispielsweise einen starken Schaden des Erbguts einer Körperzelle und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Entstehung von Krebs verursachen kann.
Funkstrahlung
Funkstrahlung ist genauso wie Licht eine elektromagnetische Strahlung, jedoch mit einer sehr viel geringeren Energie der Strahlungsquanten. Beispielsweise beträgt sie für WLAN bei einer Frequenz von 2,4 GHz ca. 10 μeV = 0,00001 eV. Dadurch ist es unmöglich, dass ein einzelnes Quant z. B. in einer Körperzelle Schaden anrichtet; diese Strahlung ist klar nicht ionisierend. Jedoch sind damit nicht Schadwirkungen durch Prozesse ausgeschlossen, bei denen eine Vielzahl von Quanten gleichzeitig eine Wirkung hervorruft. Nach Jahrzehnten der Forschung ist nur von einem einzigen Mechanismus dieser Art bekannt, dass er konkret schaden kann: Eine übermäßige Erwärmung von Gewebe ist möglich bei sehr hohen Strahlungsintensitäten.
Wenn Ihnen diese Website gefällt, teilen Sie das doch auch Ihren Freunden und Kollegen mit – z. B. über Social Media durch einen Klick hier:
Diese Sharing-Buttons sind datenschutzfreundlich eingerichtet!