Brennstoffzellen-Fahrzeuge: die bessere Lösung als Batterie-Elektroautos?
Erschienen am 21.10.2019 im RP-Energie-Blog (als E-Mail-Newsletter erhältlich!)
Permanente Adresse: https://www.energie-lexikon.info/rp-energie-blog_2019_10_21.html
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta, RP-Energie-Lexikon, RP Photonics AG
Inhalt: Während Elektroautos basierend auf Batterien allmählich populärer werden, werden Brennstoffzellen-Fahrzeuge gelegentlich als die eigentlich richtige Lösung dargestellt. Welche Vorteile bieten Sie wirklich, und wie viel Sinn macht es, Schritte in diese Richtung zu unternehmen?
Auch wenn das 2010 formulierte Ziel der deutschen Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektroautos auf den Straßen zu haben, bei weitem verfehlt wird, nehmen die Zulassungszahlen nun immerhin rasant zu. Gleichzeitig tut sich auf dem Gebiet der Brennstoffzellen-Autos bislang fast nichts: Ganz wenige Modelle sind auf dem Markt, und zwar zu sehr hohen Preisen. Zudem sind in ganz Deutschland laut H2.Live momentan nur gerade mal 21 Wasserstoff-Tankstellen dafür in Betrieb. Eine breite Einführung dieser Technik ist nicht in Sicht.
Dies wird von manchen sehr bedauert, die in Brennstoffzellen-Autos die eigentliche Lösung sehen, in Batterie-Autos dagegen nur eine Übergangslösung. In der Tat bietet die Brennstoffzellen-Technologie ein paar gewichtige Vorteile:
- Damit ist eine deutlich größere Reichweite der Fahrzeuge möglich, ohne dass man tonnenschwere Batterien durch die Gegend fahren muss.
- Die Beladung eines Wasserstofftanks benötigt viel weniger Zeit als das Laden von Batterien.
- Der Wasserstoff, mit dem diese Autos betrieben werden, ist besser speicherbar als elektrische Energie. Dies löst das Problem, dass das gleichzeitige Laden vieler Elektroautos (womöglich noch an Schnellladestationen) massive elektrische Leistungen erfordern würde, die erst einmal bereitgestellt werden müssten (betreffend Stromerzeugung und Stromnetze). Vor allem dazu nötige Leistungserhöhungen in den Verteilungsnetzen könnten teuer werden.
- Wenn ein entsprechendes Tankstellennetz verfügbar wäre, würde sich der Aufbau einer Vielzahl von elektrischen Ladestationen erübrigen.
- Die Batterien benötigen bestimmte Metalle wie Lithium und Kobalt, deren Gewinnung problematisch ist, und die nur begrenzt verfügbar sind.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch massive Nachteile der Brennstoffzellen-Technologie:
- Die Energieeffizienz ist ziemlich niedrig. Wenn aus elektrischer Energie durch Elektrolyse Wasserstoff hergestellt wird und dieser dann im Fahrzeug in einer Brennstoffzelle wieder verstromt wird, verliert man in dieser Kette mehr als die Hälfte der eingesetzten elektrischen Energie. Somit muss für den Betrieb des Fahrzeuges also über doppelt so viel Strom hergestellt werden wie für ein vergleichbares Batterie-Auto. Bei Fahrzeugen mit einem Tank für verflüssigten Wasserstoff käme noch dazu, dass im Stand ständig Wasserstoff durch Abdampfen verloren geht; die Bilanz wird außerdem durch den hohen Energieaufwand für die Verflüssigung des Wasserstoffs noch weiter verschlechtert. Im Falle der vielleicht eher praktikablen Drucktanks braucht man auch einige Energie für die Kompression.
- Die Technik ist arg teuer; man benötigt an Bord nicht nur eine Brennstoffzelle, sondern auch einen geeigneten Wasserstoff-Speicher und zusätzlich noch eine leistungsfähige (wenn auch nicht allzu große) Batterie, da die Brennstoffzelle wechselnden Leistungsanforderungen nicht schnell genug folgen kann und auch keine Rekuperation ermöglicht. Das alles kostet nicht nur sehr viel Geld, sondern wiegt auch wieder einiges.
- Der Aufbau einer zusätzlichen Infrastruktur für die Betankung vieler Fahrzeuge mit Wasserstoff wäre sehr aufwendig.
Wird die Technik noch besser?
Natürlich muss man sich immer fragen, ob die eine oder andere Technik noch wesentlich verbessert werden könnte. Auf der Seite der Batterien gibt es wegen der ansteigenden Umsätze wesentliche Fortschritte vor allem bei den Kosten und teils auch bei der Energiedichte; auch modifizierte Versionen sind denkbar, die mit weniger heiklen Materialien arbeiten. Zudem könnten auch neue Recycling-Methoden das Beschaffungsproblem deutlich entschärfen. Wie sieht das aber für die Brennstoffzellen-Fahrzeuge aus?
- Mit Sicherheit können Brennstoffzellen noch wesentlich kostengünstiger werden. Einfach ist dies jedoch nicht, zumal auch dort weiterhin sehr teure Metalle benötigt werden, die nicht leicht ersetzbar sind.
- Die Energieeffizienz wird man hier und dort noch etwas verbessern können, aber vermutlich nicht dramatisch; deutlich weniger als einen Faktor 2 beim Mehrverbrauch an Strom gegenüber dem Batterie-Auto wird man wohl nicht erreichen können.
- Das Problem der Wasserstoff-Infrastruktur in der bisher vorgesehenen Form bleibt; höchstens findet man noch bessere Technik für den Transport des Wasserstoffs. Bislang lassen sich selbst mit einer 40-Tönner-Lkw gerade mal rund 400 kg Wasserstoff in Drucktanks transportieren. Man müsste vermutlich Erdgas-Leitungen für die Tankstellen auf Wasserstoff umstellen. Wenn man dagegen den Wasserstoff lokal durch Elektrolyse herstellen würde, bräuchte man sehr starke Stromanschlüsse, und der Vorteil der Netzentlastung wäre wieder stark reduziert.
- Eine interessante Entwicklung sind allerdings flüssige Wasserstoffträger (LOHC), also gewisse Flüssigkeiten, die viel Wasserstoff an sich binden und im Fahrzeug wieder abgeben können. Dies würde die Probleme des Transports und der Speicherung wesentlich entschärfen; es wäre nur noch eine Flüssigkeit zu transportieren, die weder Kühlung noch Kompression erfordert und keine Brand- oder Explosionsgefahr mit sich bringt. Allerdings wäre auch diese Lösung nicht ideal bezüglich Energiedichte und benötigter Technik (etwa für die Extraktion des Wasserstoffs im Fahrzeug).
- Denkbar wäre natürlich die Erzeugung des Wasserstoffs aus erneuerbaren Energien in anderen Ländern. Die dort besseren Bedingungen der Energieerzeugung könnten das Problem des schlechteren Wirkungsgrads relativieren, und unsere Stromnetze würden tatsächlich entlastet. Wir würden dann also in großem Umfang Wasserstoff importieren, so wie wir es bisher mit Erdöl tun.
Was folgt daraus?
Vor allem wegen der schlechten Energiebilanz des Wasserstoff-Pfads – mit wesentlichen Energieverlusten bei Erzeugung, Kompression und Verstromung des Wasserstoffs – halte ich eine breite Einführung dieser Technik für Autos nicht für sinnvoll. Für so etwas eine teure zusätzliche Infrastruktur aufzubauen und dann auch die Stromerzeugung entsprechend massiv stärker auszubauen (mit vielen zusätzlichen Windenergieanlagen), wäre wohl keine praktikable und bezahlbare Lösung. Wenn überhaupt, könnte dies wohl nur gelingen durch umfangreiche Wasserstoff-Importe aus anderen Ländern – wenn etwa in Spanien, Norwegen, Island oder Nordafrika umfangreiche Erzeugungskapazitäten aufgebaut würden und zusätzlich die benötigte Infrastruktur für Wasserstoff-Transporte. Das ist natürlich nichts für Freunde von Energie-Autarkie, aber aus meiner Sicht immerhin eine denkbare Lösung.
Man mag einwenden, dass die Infrastruktur-Kosten für eine breite Einführung von Batterie-Autos ebenfalls erheblich sind. Jedoch wird sich dies sicherlich nicht dadurch erübrigen, dass man zusätzlich auch noch Wasserstoff-Fahrzeuge einsetzt. Und für beide Infrastrukturen zusammen das Geld aufzubringen, dürfte ziemlich schwierig werden.
Auf der anderen Seite sind die Probleme der Elektromobilität mit Batterie-basierten Elektroautos auch nicht zu leugnen. Die Vorstellung, dass wir einfach alle Benzin- und Diesel-Autos durch solche Elektroautos ersetzen und so weiterhin unbeschränkt Auto fahren können, halte ich für unrealistisch. Ohnehin löst das nicht das Problem der immer mehr an ihre Grenzen stoßenden Straßen-Infrastrukturen. Aus meiner Sicht ist ein erheblicher Umbau unseres ganzen Transportsystems unabdingbar, wie im Folgenden skiziert.
Elemente einer Mobilität der Zukunft
Einige zentrale Gedanken hierzu:
- Wir müssen die gesamte jährliche Fahrleistung von Autos mittelfristig erheblich reduzieren. Anstatt Batterie- oder Brennstoffzellen-Autos mit großen Reichweiten zu entwickeln, sollten wir lange Strecken mit der Bahn erledigen und Autos nur für die erste und letzte Meile einsetzen – in Zukunft wahrscheinlich als Robo-Taxis, was weitaus praktischer wäre als Car-sharing. Damit wird das Reichweiten- und auch Kostenproblem wesentlich entschärft – vor allem, wenn zukünftig nicht mehr jeder sein eigenes Auto hat, sondern idealerweise Robo-Taxis sehr effizient eingesetzt werden können. Wir sparen dann auch noch enorme Kosten für die Einrichtung unzähliger Parkmöglichkeiten.
- Zusätzlich gilt es den Verkehrsbedarf zu reduzieren, beispielsweise durch Tele-Arbeit und Videokonferenzen, aber auch durch eine sinnvolle Strukturpolitik. Beispielsweise geht eine Erhöhung der Pendlerpauschale diesbezüglich genau die falsche Richtung.
- Für kleinere Fahrzeuge wird es vermutlich bei Batterien bleiben, und kleinere Fahrzeuge werden auch für den Individualverkehr die richtige Lösung bleiben. Selbst für Lastwagen könnte dies gelingen. Diese müssen zwar hohe Reichweiten haben, aber interessanterweise lassen sich diese bei solchen Fahrzeugen sogar leichter realisieren als bei kleinen Autos. Vielleicht könnten hier aber zukünftig auch Brennstoffzellen zum Einsatz kommen.
- Um die nötigen Ladeleistungen zu begrenzen, also die elektrische Infrastruktur nicht allzu sehr ausbauen zu müssen, wird man umfangreich auf Lastmanagement setzen müssen, was sicherlich billiger machbar ist.
- Für Züge ist die direkte Stromversorgung mit Oberleitungen klar die beste, weil effizienteste und einfachste Lösung. Wo die Elektrifizierung von Strecken nicht möglich ist, könnten Brennstoffzellen unter Umständen eingesetzt werden – wobei man aber teure Technik benötigt und viel mehr Strom zum Betrieb.
- Für Schiffe und Flugzeuge gibt es natürlich nicht die Möglichkeit einer direkten Stromversorgung. Hier wird man andere Möglichkeiten brauchen, beispielsweise synthetische Kraftstoffe basierend auf Power to Gas, die wohl eher in anderen Ländern zu produzieren wären.
Eine Kombination solcher Ansätze scheint mir unentbehrlich zu sein für eine ökologisch nachhaltige Mobilität, die zudem bezahlbar bleibt. Man wird auch mit einer begrenzten Menge zusätzlicher Wind- und Solaranlagen auskommen. Für eine rein technische Lösung – etwa den Ersatz von Antriebssystemen – gibt es klar keine praktikablen Optionen; wir werden also angepasste Lösungen entwickeln müssen, die auch andere Nutzungsarten und Verhaltensmuster beinhalten. Die in den letzten Jahrzehnten entwickelten Formen der Mobilität, die auf Raubbau basieren, sind auf Dauer schlicht nicht durchzuhalten, also nicht nachhaltig praktizierbar.
Leider scheint unsere Politik derart zukunftsblind zu sein, dass ein Bundesverkehrsminister zwar gerne mal hier und da eine weitere Wasserstoff-Tankstelle einweiht, aber offenbar keinerlei Vorstellung von einer praktikablen Zukunft der Mobilität hat. Trotzdem werden Milliarden investiert ohne eine klare Perspektive, und seit Jahrzehnten ohne wesentliche Fortschritte z. B. bei den CO2-Emissionen. Ich bin gespannt, wie lange wir uns so etwas noch leisten.
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