Turboaufladung
Definition: eine Methode zur Steigerung der Leistung oder der Effizienz eines Verbrennungsmotors
Englisch: turbocharging, supercharging
Autor: Dr. Rüdiger Paschotta
Wie man zitiert; zusätzliche Literatur vorschlagen
Ursprüngliche Erstellung: 05.09.2014; letzte Änderung: 20.08.2023
Die Turboaufladung ist zunächst eine Methode, die Leistung eines Verbrennungsmotors zu steigern. Hierbei wird dem Motor während der Ansaugphase (erster Takt) Verbrennungsluft mithilfe eines Verdichters unter erhöhtem Druck zugeführt, sodass auch die Kraftstoffmenge entsprechend erhöht werden kann. Der Verdichter wird mithilfe einer Turbine angetrieben, die die Energie des Abgasstroms ausnutzt. (Der Begriff Abgasturbolader unterstreicht dies zusätzlich.) Der Verdichter und die Abgasturbine sitzen auf einer gemeinsamen Welle, die im Betrieb eine sehr hohe Drehzahl erreichen kann. Diese Baugruppe wird als Turbolader bezeichnet. Motoren mit Turbolader werden als Turbomotoren oder auch als aufgeladene Motoren bezeichnet. Im Gegensatz dazu stehen Saugmotoren, die über keine Aufladung verfügen.
Der sogenannte Liefergrad des Motors kann durch die Turboaufladung erhöht werden, wenn dabei die theoretisch mögliche Luftmenge auf die Verhältnisse außerhalb des gesamten Motoraggregats (also mit Normaldruck) bezogen wird. Wird er dagegen auf die Verhältnisse direkt vor dem Einlassventil bezogen, steigert die Turboaufladung den Liefergrad im Wesentlichen nicht.
Heute ist es üblich, einen Turbolader durch einen sogenannten Ladeluftkühler zu ergänzen. Durch die Kompression der zugeführten Luft steigt nämlich deren Temperatur erheblich an, und dies ist aus verschiedenen Gründen nachteilig. Ein Ladeluftkühler kann diese Temperaturerhöhung deutlich reduzieren und damit sowohl zur Leistungssteigerung als auch zur Verbesserung der Effizienz beitragen.
Der Antrieb des Turboladers entzieht dem Motor nicht direkt einen Teil der Antriebsleistung, wie es bei einem Kompressor der Fall wäre. (Bei einem mit Kompressor aufgeladenen Motor wird der Verdichter direkt vom Verbrennungsmotor angetrieben.) Jedoch steigt tendenziell der Gegendruck im Abgasstrang, sodass die Verluste im vierten Takt ansteigen. Dies kann dadurch einigermaßen ausgeglichen werden, dass man die Rohrquerschnitte im Abgassystem erhöht und den Druckverlust im Schalldämpfer minimiert.
In erster Linie dient die Turboaufladung der Steigerung der Motorleistung bei gegebenem Hubraum. Im Vergleich zu einer Erhöhung des Hubraums, was im Prinzip die einfachere Methode der Leistungssteigerung wäre, erfordert die Turboaufladung eine geringere Erhöhung des Gewichts des Antriebs.
Die Turboaufladung kann auch genutzt werden, um eine gegebene Motorleistung mit einem kleineren und damit leichteren Motor zu erzielen. Dies ist insbesondere bei Fahrzeugen von Interesse – in besonderem Maße bei Flugzeugen.
In der Regel wird die Energieeffizienz sinken, d. h. der Kraftstoffverbrauch zunehmen, wenn der Motor eines Fahrzeugs mit einem gegebenen Hubraum mit der Turboaufladung ausgestattet wird. Wenn jedoch gleichzeitig ein Downsizing angewandt wird, um die Leistung letztendlich nicht zu steigern, ist häufig eine erhöhte Effizienz bzw. ein verminderter Kraftstoffverbrauch möglich. Dies resultiert einerseits daraus, dass der Wirkungsgrad des Motors (insbesondere im Teillastbetrieb) steigen kann, und andererseits aus der Reduktion des Fahrzeuggewichts.
Da die Erhöhung der Leistung natürlich mit einer Erhöhung der mechanischen und thermischen Beanspruchung diverser Teile einhergeht, erfordert die Turboaufladung diverse zusätzliche Maßnahmen, um eine hohe Lebensdauer zu erzielen.
Insbesondere beim Einsatz von Fahrzeugen müssen die Motoren mit stark und schnell wechselnden Lastverhältnissen zurechtkommen. Dies ist im Zusammenhang mit der Turboaufladung technisch nicht einfach. Ein besonders bekanntes Problem ist das sogenannte Turboloch, d. h. ein verzögertes Einsetzen der Leistung beim Gasgeben; erst wenn der Abgasstrom als Folge der erhöhten Leistung entsprechend angestiegen ist, kann der Turbolader seine volle Wirkung entfalten. Andererseits soll die Wirkung des Turboladers bei hohen Drehzahlen auch nicht zu stark werden; oft muss sie dann mit einem Bypass (einem Wastegate) reduziert werden, der geeignet angesteuert werden muss. Solche Probleme lassen sich mit diversen Maßnahmen stark vermindern, was jedoch einen erheblichen technischen Aufwand (auch im Zusammenhang mit der Steuerung diverser Komponenten) erfordert. Beispielsweise werden im Turbolader häufig Leiträder eingesetzt, deren Stellung je nach den momentanen Verhältnissen über einen Servoantrieb optimiert wird. In manchen Fällen wird auch ein zusätzlicher direkt vom Motor angetriebener Kompressor (z. B. ein Rootsgebläse) eingesetzt, um das Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen anzuheben. Andere Optionen sind die Unterstützung des Turboladers mit einem leistungsfähigen Elektromotor und der Einsatz eines zusätzlichen elektrisch angetriebenen Verdichters ("eBooster") vor dem Turbolader. Die wesentliche Erhöhung der Komplexität des Antriebssystems in Verbindung mit dem Einsatz teils hoch belasteter Komponenten vergrößert auch die Gefahr von Defekten.
Ein besonderer Fall ist die Anwendung bei Flugmotoren, die auch in großen Flughöhen eine hohe Leistung erbringen sollen. In großer Höhe ist nämlich die Dichte der Luft recht gering, sodass es schwieriger wird, ohne Turboaufladung die Zylinder gut zu füllen. Bei manchen Flugzeugen wurde die Turboaufladung im Wesentlichen nur genutzt, um den Druckabfall bei größeren Höhen auszugleichen. Es ist jedoch auch möglich, allgemein höhere Ladedrucke zugunsten einer erhöhten Motorleistung zu erzielen.
Turbolader können sowohl bei Ottomotoren als auch bei Dieselmotoren eingesetzt werden, wobei jedoch teilweise unterschiedliche technische Aspekte relevant sind, die im Folgenden diskutiert werden.
Turboaufladung von Ottomotoren
Ein grundlegendes Problem der Turboaufladung bei Ottomotoren (Benzinmotoren) liegt darin, dass der Temperaturanstieg während der Kompressionsphase zunimmt und damit die Neigung zur unkontrollierten Selbstentzündung des Kraftstoff-Luft-Gemischs steigt. Diese Selbstentzündung führt zum sogenannten Klopfen, welches wegen der davon verursachten starken mechanischen Belastung des Motors vermieden werden muss.
Eine gängige Methode zur Verhinderung des Klopfens trotz Turboaufladung ist eine Reduzierung des Verdichtungsverhältnisses. Dies ist jedoch leider nachteilig für den Wirkungsgrad, da damit auch das Expansionsverhältnis in der Arbeitsphase des Motors reduziert wird. Im Prinzip könnte auch ein Kraftstoff mit erhöhter Klopffestigkeit verwendet werden, jedoch wäre auch hiermit eine weitere Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses eigentlich wünschenswert. Ein effizienter Ladeluftkühler reduziert das Problem ein Stück weit. Andere Methoden sind die zusätzliche Einspritzung von Wasser oder eines Wasser-Methanol-Gemischs, um die zugeführte Luft zu kühlen. Ebenso kann man die Steuerzeiten optimieren, wobei jedoch auch hier Zielkonflikte auftreten. Im Übrigen ist die Benzindirekteinspritzung günstig, da damit der Kühleffekt durch die entzogene Verdampfungswärme des Kraftstoffs optimal ist.
Eine einfache und häufig angewendete Methode ist die sogenannte Volllastanreicherung, d. h. die Verwendung eines gewissen Kraftstoffüberschusses, der die Verbrennungstemperatur etwas absenkt, beim Betrieb mit hoher Last. Dies hat wegen der dann unvollständigen Verbrennung allerdings einen erhöhten Kraftstoffverbrauch und scharf ansteigende Schadstoffemissionen zur Folge. Deswegen sollte diese Methode möglichst wenig eingesetzt werden. Der Artikel über die Volllastanreicherung enthält weitere Details.
Eine besonders wirkungsvolle, allerdings auch aufwendige Methode zur Unterdrückung der Klopfneigung bei einem Turbomotor ist die Wassereinspritzung. Sie bewirkt effektiv eine Verstärkung der Ladeluftkühlung und ermöglicht eine wesentliche Steigerung einerseits der Motorleistung und andererseits des Wirkungsgrads. In den letzten Jahren ist die Weiterentwicklung dieser Methode aufgenommen worden, und mit der baldigen Einführung in Serienfahrzeugen ist zu rechnen.
Trotz des genannten Problems, dass die Turboaufladung im Allgemeinen ein etwas reduziertes Verdichtungsverhältnis und tendenziell einen häufigeren Einsatz der Volllastanreicherung erfordert, kann die Energieeffizienz durch Turboaufladung in Verbindung mit Downsizing häufig deutlich verbessert werden. Der kleinere Motor leidet nämlich im Teillastbetrieb weniger als ein größerer unter Drosselverlusten. Hinzu kommt der Effekt des reduzierten Fahrzeuggewichts. Dieser Vorteil kann allerdings ins Gegenteil gewendet werden, wenn häufig mit Vollgas gefahren wird, sodass sich die Volllastanreicherung schädlich auswirkt.
Durch die relativ hohe Abgastemperatur von Ottomotoren ist der Turbolader einer starken thermischen Belastung ausgesetzt. Dies macht die Verwendung von hochtemperaturfesten Werkstoffen in Verbindung mit einer optimierten Konstruktion nötig. Solche Probleme können mit heutiger Technik beherrscht werden, jedoch ist der Aufwand beträchtlich.
Bei hohem Ladedruck und insbesondere in Kombination mit dem Magerbetrieb ist das zuverlässige Zünden der Verbrennung schwieriger. Es kann in diesem Falle notwendig sein, ein verstärktes Zündsystem mit höherer Zündspannung und höherer Zündenergie einzusetzen.
Die Turboaufladung ist bei Benzinmotoren vor allem im mittleren bis hohen Drehzahlbereich wirksam, kaum jedoch bei niedrigen Drehzahlen. Die Elastizität des aufgeladenen Motors ist also geringer als die eines nicht aufgeladenen Motors mit gleicher Maximalleistung (also höherem Hubraum).
Turboaufladung von Dieselmotoren
Im Vergleich zu Ottomotoren spricht bei Dieselmotoren mehr für den Einsatz der Turboaufladung:
- Das Problem des Klopfens existiert bei Dieselmotoren nicht. (Trotzdem wird jedoch auch bei Dieselmotoren das Verdichtungsverhältnis meist etwas reduziert, wenn die Turboaufladung eingesetzt wird.) Deswegen fällt die mögliche Erhöhung der Leistung meist deutlicher aus als bei Benzinmotoren.
- Das bei Dieselmotoren höhere Leistungsgewicht, das vor allem für Fahrzeuge relevant ist, kann durch Turboaufladung recht effektiv reduziert werden.
- Da die Abgastemperaturen bei Dieselmotoren aus verschiedenen Gründen (höheres Verdichtungsverhältnis, höheres Verbrennungsluftverhältnis) deutlich tiefer liegen als bei Ottomotoren, ist die thermische Belastung des Turboladers deutlich geringer.
- Bei Dieselmotoren verbessert die Turboaufladung die sogenannte Elastizität des Motors, d. h. sie verbessert gerade auch das Drehmoment bei niedrigen bis mittleren Drehzahlen.
Aus diesen Gründen ist die Turboaufladung bei Dieselmotoren wesentlich verbreiteter als bei Ottomotoren. Dies gilt für den Bereich von Fahrzeugen, jedoch auch für stationäre Motoren. Bei Letzteren ist zwar die Reduktion des Antriebsgewichts von geringerer Bedeutung, jedoch handelt es sich meist um große Motoren, bei denen die Wirksamkeit und die spezifischen Kosten von Turboladern niedriger liegen als bei kleinen Motoren. Ein wesentlicher Aspekt bei stationären Motoren ist, dass diese nicht ständig wechselnde Betriebsbedingungen durchlaufen müssen, was die Anwendung eines Turboladers stark erleichtert.
Einfluss auf die Energieeffizienz
Die Anwendung der Turboaufladung hat auch einen Einfluss auf den Wirkungsgrad des Motors und damit auf die Energieeffizienz. In der Praxis bei Fahrzeugen relevant ist aber nicht in erster Linie der maximal (d. h. unter optimalen Betriebsbedingungen) erreichte Wirkungsgrad, sondern der durchschnittliche Wirkungsgrad im Fahrbetrieb. Dieser kann beispielsweise dadurch steigen, dass der Motor für eine gegebene Leistung kleiner ausgelegt werden kann, dann weniger Drosselverluste und weniger Reibung hat. Es kommt also auch stark darauf an, ob man die Aufladung einfach für zusätzliche Leistung nutzen möchte oder damit ein Downsizing realisiert. Im letzteren Falle ist gerade bei Dieselmotoren eine deutliche Verbesserung der Effizienz möglich, weswegen die Technik inzwischen auch sehr häufig eingesetzt wird.
Siehe auch: Verbrennungsmotor, Ottomotor, Dieselmotor, Saugmotor, Klopfen beim Ottomotor, Hubraum, Liefergrad, Kraftstoffeinspritzung, Wassereinspritzung, Volllastanreicherung, Downsizing von Verbrennungsmotoren
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